Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
finde es ziemlich seltsam, dass es da draußen wohl tatsächlich mal jemanden gab, der die Idee gut fand, Karotten in einen Kuchen zu raspeln. Karotten! Die haben aber so was von rein gar nichts in Kuchen, Torten, Sahne und Plätzchen zu suchen– aber gut, der Zweck heiligt die Mittel, und dieser Kuchen hat eine Mission. Er soll die Ureinwohner (Mutter Paulsen) milde stimmen, wenn der Konquistador (ich) den Fuß auf fremdes Land setzt, um die Bevölkerung (Konrad) zu versklaven. So in der Art, nur etwas weniger martialisch.
Ich backe also einen missionarischen Kuchen. Weil Konrads Mutter unappetitliche Dinge mag, lasse ich den Zucker weg und ersetze ihn durch Ahornsirup. Statt Weizen- nehme ich Dinkelmehl, die Eier kommen von frei laufenden und glücklichen Hühnern, und ich hoffe sehr, Konrads Mutter schmeckt das. Selbst die Möhren sind glücklich.
Das rede ich zumindest ihnen und mir ein.
Als Konrad gegen halb elf verschlafen in die Küche kommt, strömt bereits der Geruch von Frischgebackenem durch die Küche.
» Was machst du denn da?«, fragt er mich und reibt sich den Schlaf aus den Augen.
» Ich besteche deine Mutter mit Rüblitorte«, sage ich im Brustton der Überzeugung.
Konrad strahlt und beginnt mit Begeisterung, die kleinen Marzipanmöhrchen aus der Plastikverpackung zu pfriemeln.
» Das ist echt supernett von dir. Da wird sie sich aber freuen!«
Mein Gott! Ist es tatsächlich so einfach, Familie Paulsen glücklich zu machen? Mit Karotten im Kuchen?
Anschlusstreffer
Sonntag, 27 . März, um 19 : 47 Uhr
Update: Ich bin eine Entwicklungsstufe emporgestiegen! Genau genommen bin ich aus der Ursuppe gekrochen, in die mich Konrads Mutter geschubst hatte, und mache nun erste Schritte an Land. Ich bin keine gesellschaftlich inakzeptable Amöbe mehr, sondern trage erste Merkmale der sozial bessergestellten Mehrzeller. Kurzum: Konrads Mutter hat sich über meinen Ekelkuchen angeblich sehr gefreut und gefragt, ob ich nicht mal wieder Lust hätte vorbeizukommen. Daraufhin hat sich Konrads Vater vor Freude und Überraschung anscheinend so an einer Marzipanmöhre verschluckt, dass Konrad ihm beim anschließenden Schlagen auf den Rücken fast die Wirbelsäule gebrochen hätte, aber das ist jetzt nebensächlich. Ich bin wieder im Spiel!
Ti amo
Freitag, 1 . April, um 01 : 19 Uhr
Ich kann nicht schlafen. An sich ist das nichts Neues, aber es gibt endlich mal einen erfreulichen Grund dafür.
Tatort Schlafzimmer. Konrad und ich liegen nebeneinander, gerade habe ich das Licht ausgemacht und mir einen Gutenachtkuss abgeholt. Ich rolle mich auf die Seite, zerknautsche das Kissen unter meinem Kopf. Da plötzlich sagt Konrad in die Dunkelheit: » Du? Juli?«
» Hm?«
» Weißt du, was komisch ist?«
Ja. ’ne Menge. Rüblitorte. Deine Mutter. Lady Gaga. GEZ . Einkommenssteuer zahlen.
Ich muss kurz über meine Assoziationskette schmunzeln, reiße mich aber prompt wieder am Riemen. Denn Konrad klingt ernst.
» Was ist komisch?«
» Ich denke die ganze Zeit schon darüber nach. Also die letzten Wochen.«
Ach so, ja: Nadine ist auch komisch. Und dass du dich an Nadines neuem Freund störst, ist auch komisch. Aber ich kann drüber wegsehen. Ich bin Profi. Ich lass mich doch nicht von so ’nem Amateur aus der Kreisklasse verunsichern.
» Weißt du, es ist nämlich so…«
Konrad will es aber wirklich spannend machen. Was eiert der denn so rum?
» …also, es ist nämlich so, dass ich– also, das klingt jetzt vielleicht komisch, und ich will wirklich nicht, dass du denkst, ich sage das nur so oder weil wir in der letzten Zeit so… äh… Probleme hatten…«
Konnikonrad. Auch meine Geduld kennt Grenzen. Komm zum Punkt.
» …aber ich bin mir wirklich sicher und überleg mir das schon wirklich lange, und ich bin mir wirklich sicher, weil ich weiß, dass du mich das jetzt gleich fragen wirst: Ja, wirklich. Ich bin mir sicher.«
Hä? Konrad ist sich sicher? Schön, freut mich.
» Was?«
» Ach so. Hab ich das noch nicht gesagt?«
Leider nein. Ich stöhne: » Hast du was noch nicht gesagt?«
» Dass ich dich liebe.«
Ich bleibe liegen. Ganz still. Ich traue mich nicht einmal zu atmen. Ich liege einfach so da und hoffe, mich nicht verhört zu haben.
» War das…« Ja, was war das? War das eine Liebeserklärung? Ich… äh… ich meine, ich habe keine roten Rosen erwartet, auch kein Auf-die-Knie-Fallen, aber– war sie das? Ja? » Kannst du das noch mal sagen?«
» Welchen Teil?«
» KONRAD
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