Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
den Fersen. Meine Argumentation verkrümelt sich, bevor ich sie am Schlafittchen packen und hinter mir herzerren kann.
» Äh…« Tja, blöd, so ganz ohne Argumente. » Nix, aber…« Im Notfall hilft immer Plan B: » Trotzdem.«
» Du spinnst!«, brüllt Konrad. » Und du bist genauso bekloppt wie Nadine, wenn du alte Sachen wieder aufwärmst! Ihr Weiber seid doch alle bescheuert!«
Konrad macht auf dem Absatz kehrt und rennt aus der Küche. Ich frage mich, warum wir immer in der Küche streiten. Vielleicht liegt’s am Raumklima. Jedenfalls ist Konrad schon im Flur, reißt die Wohnungstür auf und sagt mit sehr, sehr viel Nachdruck: » Ich brauch frische Luft«, und mit einem Satz ist er aus der Wohnung und lässt die Tür mit Kawumm ins Schloss fallen.
So haben wir aber nicht gewettet. Ich soll jetzt also hierbleiben und meine schlechte Laune ertragen? So weit kommt’s noch! Ich reiße die Wohnungstür wieder auf und renne ihm, zwei Treppenstufen auf einmal nehmend, hinterher.
» Konrad, bleib stehen, ich bin noch nicht fertig mit dir!«
Überraschenderweise bleibt Konrad wirklich stehen, und ich laufe in ihn hinein. Es gibt ein kurzes Handgemenge, wir sortieren Arme und Beine, dann stehen wir uns wie zwei zum Angriff bereite Gladiatoren in der Arena gegenüber.
» Ja, bitte? Ich höre?« Konrad hat diesen ekelerregenden Ton drauf. Diesen » Oh, da bin ich aber mal gespannt, was die kleine Juli zu meckern hat«-Ton. Unglücklicherweise kriege ich in diesem Moment eine Maulsperre. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich sagen will, so überrascht bin ich, dass Konrad nicht die Beine in die Hand genommen hat und jetzt um sein Leben läuft. Ich hätte das getan, an seiner Stelle.
» Na?« Konrad kennt mich. Und er weiß genau, dass mir in den entscheidenden Momenten immer die Spucke wegbleibt oder ich von dramatischem Lampenfieber überfallen werde. In diesem Fall trifft beides zu.
» Äh– also, ich…«
WUMMMS ! Ein ohrenbetäubender Knall lässt uns beide zusammenschrecken. Dann Stille.
Einerseits freue ich mich, dass ich mir jetzt nicht mehr überlegen muss, was ich sagen wollte. Oder dass ich noch mehr fadenscheinige Argumente aus dem Ärmel schütteln muss. Andererseits ärgere ich mich darüber, dass weder Konrad noch ich in unserer streitsüchtigen Rage den Wohnungsschlüssel eingesteckt haben, denn der Zug im Treppenhaus hat gerade unsere Wohnungstür zugedonnert.
Die Luft, die gerade noch so dick war, dass man sie mit einem Tranchiermesser in feine Scheiben hätte schneiden können, weicht aus dem Treppenhaus wie aus einem alten Luftballon.
Konrad sieht nach oben zu unserem Stockwerk.
» Ach, Scheiße.«
Ich nicke. » Kann man so sagen.«
Wir steigen die restlichen Stockwerke hinab und setzen uns auf die Steinstufen vor der Haustür. Konrad schlägt vor, seine Mutter anzurufen. Das kommt aber natürlich gar nicht infrage. Nicht nur weil die irgendwo im Taunus wohnt, sondern aus Prinzip nicht. Wäre ja noch schöner, dann müsste ich am Ende zugeben, wie ausnahmslos gut die Idee war, bei ihr einen Schlüssel zu deponieren.
» Mona hat einen!«, rufe ich von plötzlicher Erkenntnis gesegnet. Konrad knirscht mit den Zähnen und zückt sein Handy, das er glücklicherweise immer in der Hosentasche mit sich herumträgt, um die Wahrscheinlichkeit, Hodenkrebs zu bekommen oder seine Samen komplett zu ruinieren, so groß wie möglich zu halten.
Mona lacht sich über uns kaputt und verspricht, nach der Arbeit bei uns vorbeizukommen.
Konrad und ich machen uns auf den Weg zum Kiosk um die Ecke, ich habe noch 2,83 in der Hosentasche, davon kaufen wir uns eine saure Tüte. Wenn schon der Rest vom Tag so bescheiden lief.
Vollkommen ausgetrocknet (Konrad hatte in der Zwischenzeit vorgeschlagen, Wasser aus der Regentonne zu trinken) lungern wir ein paar Stunden vor dem Haus herum. Unsere Nachbarn kommen von der Arbeit nach Hause, grüßen uns nett und lachen alle auf die gleiche Art über das » Missgeschick« der Wohngemeinschaft Rautenberg/Paulsen. Konrad und mir ist die Lust auf Streiten vergangen. Wir blenden das Thema Schlüssel aus und schweigen uns ein Weilchen an. Als wir dessen überdrüssig werden, spielen wir ein paar Runden Schere-Stein-Papier. Gerade als ich Konrad zum siebten Mal in Folge besiege, biegt ein junger Typ in unsere Hofeinfahrt ein und beendet meinen Triumphzug.
» Hi«, sagt er und bleibt vor uns stehen. » Seid ihr die zwei, die sich ausgesperrt haben?«
Konrad sieht erst
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