Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
ihn, dann mich fragend an. » Äh, ja.«
» Cool. Mona hat mir gesagt, ich soll euch den Schlüssel bringen.«
» Mona hat DIR den Schlüssel gegeben?« Konrads Stimme wackelt ein bisschen. Jetzt bloß nicht aufregen, Liebling, wir sind auf der Zielgeraden!
Der junge Mann streckt Konrad die Hand hin. » Ja, hi, ich bin der Pätrick. Schreibt sich mit a, wird aber mit ä gesprochen.«
Er drückt mir den Schlüssel in die Hand und trollt sich.
» Wildfremde Leute, soso!«, zischt Konrad mich an.
Ich entscheide mich heute Abend für diplomatisches Schweigen.
Juni
Mamma mia!
Ruhe im Karton
Freitag, 3 . Juni, um 19 : 59 Uhr
Eine Woche Ruhe.
Klingt ja eigentlich ganz beschaulich. Beruhigt, entspannt, gelockert, nach dem letzten, doch recht impulsiven Aufeinandertreffen von Konrad und mir. Bei jedem anderen, der mir erzählte, dass er sieben Tage lang keine neuen Aufregungen in seinem Leben gehabt habe, würde ich einen Piccolo aufmachen und ein Liedchen anstimmen. Nur bei mir ist Ruhe eigentlich nie so richtig gut.
Denn wenn mein Leben ruhig ist, fange ich an zu denken.
Konrad und ich haben das Kriegsbeil begraben. Irgendwie waren wir am Ende quitt. Jeder hatte ein bisschen Federn gelassen und dem anderen ein Versprechen abgerungen: ich, dass ich in Zukunft nur noch » verantwortungsbewussten Mitmenschen« den Wohnungsschlüssel anvertraue. Konrad, dass er SUBITOPRONTOIMMEDIATAMENTE den Schlüssel, der noch bei seinen Eltern liegt, zurückholt, damit ich nachts wieder schlafen kann.
Seitdem ist nichts weiter passiert. Wir koexistieren friedlich vor uns hin, nicht mal über die Maulwurfshügel kann ich mich aufregen, die Konrad seit dem gewaltsamen Eindringen seiner Mutter in unsere Wohnung (ich trainiere mich, » unsere« statt » meine Wohnung« zu sagen) wieder weiträumig im Wohnbereich verteilt.
Bevor ich auf dumme Gedanken komme, suche ich mir neue Probleme. Weil sich bei mir gerade aber partout keine finden lassen wollen, rufe ich Mona an. » Wer ist eigentlich dieser Pätrick?«
» Ach, den hast du ja kennengelernt«, quietscht Mona. » Süß, nicht? Hab ich im Krankenhaus kennengelernt!«
Irre. Da ist so ’ne Salmonellenvergiftung am Ende doch noch für was gut. Wieso hab ich das eigentlich nie in Betracht gezogen bei meinem Single-Experiment: ins Krankenhaus einweisen lassen und dort den Mann des Lebens kennenlernen. Ist doch total praktisch: Man sieht sich täglich, weckt beim anderen Beschützerinstinkte, wird zahlreichen Leibesvisitationen unterzogen, dreimal täglich gefüttert und gewendet, und man darf so viel fernsehen, wie man will– für mich klingt das nach dem Paradies!
» Im Krankenhaus?«, frage ich deswegen aus rein wissenschaftlichem Interesse. » Welche Fachrichtung?« Ich hör die Kasse klingeln und spekuliere ein wenig darauf, dass Monas neue Flamme was mit ästhetischer Chirurgie am Hut hat.
» Quatsch, kein Arzt«, winkt Mona ab, » Pätrick war Patient, genau wie ich. Wir haben uns immer heimlich zum Rauchen verabredet.«
Ach so. Wie langweilig. » Und warum war Pätrick im Krankenhaus?«
Mona lacht. » Spanische Gurken.«
Jetzt bin ich wiederum ein wenig beeindruckt, lasse es mir aber nicht anmerken und frage auch nicht nach den unappetitlichen Details. Stattdessen verabreden wir uns für eine Shoppingtour am morgigen Samstag. Mein Kontostand will mich zwar eines Besseren belehren, aber von dem lass ich mir doch nicht die Laune verderben. Und alles ist besser, als sich selbst Probleme zu machen, wenn es gar keine gibt.
Donna Corleone
Samstag, 4 . Juni, um 15 : 06 Uhr
Und alles ist besser, als sich selbst Probleme zu machen, wenn es gar keine gibt.
Da oben hat gerade jemand sehr schlechte Laune. Irgendwie ist es doch immer so: In dem Moment, in dem eigentlich alles prima ist und man denkt, so kann es jetzt bleiben, wenn man gerade anfängt, nach dem Haar in der Suppe zu suchen, weil man seine gute Laune selbst nicht mehr erträgt, wenn man vor Wonne die Nase in die laue Sommerluft streckt und für den Bruchteil einer Sekunde mal nicht auf den Weg vor sich achtet– genau in dem Moment rutscht man auf einer Bananenschale aus und legt sich voll auf die Fresse.
Ich und Mona in der Stadt. Samstagsshopping. Wir prügelten uns durch die Innenstadt, quetschten uns durch Menschenmassen, fuhren auf der Suche nach den hübschesten Sommerteilchen die Ellenbogen aus, schwitzten im entblößenden Licht der Umkleidekabine und stellten beide fest, dass wir zu fett sind. Zu fett
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