Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
man teilgenommen hatte. Und dass war mehr, als ich in drei Jahren Oberstufe geschafft hatte.
Ich lächelte also nett und sagte: » Es war okay.«
Und Konrad, dieser elendige Schuft, sagte: » Und auch die Hausarbeit erfüllt mich mit viel Freude…«
Bäh!
Der Natur auf der Spur
Mittwoch, 15 . Juni, um 10 : 03 Uhr
Heute Morgen klingelte das Telefon.
» Hallo, Juli, meine Liebe!«, flötete es vom anderen Ende der Leitung in mein Ohr. Ich war gerade erst wach geworden und wollte meine allem Anschein nach rasant alternden Glieder gerade durch eine doppelte Espressokur zum Leben erwecken. Ich hatte keine Ahnung, wer zu solch einer unchristlichen Uhrzeit den Hörer gegen mich erhob, war aber noch zu zerknittert, um adäquat (mit Auflegen) zu reagieren.
» Wie geht es Ihnen?«, ging es in der einseitigen Konversation einfallsreich weiter. » Sitzen Sie schon am Schreibtisch? Störe ich Sie?«
» Gut. Nein. Ja.« Mehr ging nicht. Es war wochentags vor neun Uhr, und ich hatte noch nicht mal die Zähne geputzt.
Mein Gegenüber lachte etwas gekünstelt. Von irgendwoher bekam mein Gehirn die Eilmeldung, dass dieses Lachen in der Datenbank gespeichert war. Ich bekam ein ungutes Gefühl.
» Ist Konrad da?« Ich kombinierte, dass es sich bei meinem unverhofften Gesprächspartner nicht um einen Kunden von mir handeln konnte. Meine Auftraggeber hatten mich noch nie nach dem persönlichen Befinden meines Lebensgefährten gefragt. Nicht mal nach meinem. Und auch noch nie vor neun Uhr morgens angerufen.
» Nein, Konrad ist nicht da«, antwortete ich und versuchte, die Synapsen, die ständig durcheinanderglitschten, zu einem stimmungsvollen Gesamtwerk zu verknüpfen.
Als der Groschen dann endlich fiel, platschte er mir direkt in die Kaffeetasse.
» Günther!«, stammelte ich.
» Nein, Gudrun hier, meine Liebe«, zwitscherte Günther und schüttete sich aus vor Lachen. » Hab ich Sie vielleicht doch geweckt?« Erneutes Lachen. » Wie dem auch sei, Juli: Ich weiß jetzt, was Ihr Problem ist. Sie arbeiten zu viel!«
Aha. Ich starrte fassungslos auf den Hörer, den ich ein paar Zentimeter von meinem Ohr weghielt. Nicht dass das am Ende ansteckend war. Mein Hirn ging in den Stromsparmodus. » Fühlen Sie sich manchmal unausgeglichen?«
Meine reduzierte kognitive Leistungsfähigkeit forderte ihren Tribut. » Nur an Sonn- und Feiertagen.« Das hatte ich jetzt aber bitte nicht laut gesagt.
» Immerhin verlieren Sie nicht Ihren Humor.« Günther kicherte. » Ich habe einen Bericht gelesen, in der Zeitung. Frauen, die zu viel arbeiten, haben ein Problem, feste Bindungen einzugehen und sich auf ihren Partner einzulassen. Das wirkt sich dann natürlich auch auf die Familienplanung aus. Und auf die Bereitschaft, Kinder zu kriegen.«
» Äh…« Beeindruckend, wie nahtlos Günther an das Gespräch von Sonntag anknüpfen konnte. Und was sollte das überhaupt: » Ich weiß jetzt, was Ihr Problem ist«? Ich habe doch gar kein Problem! Na ja, nur eines, wenn ich ehrlich bin…
» Ich glaube, Sie sollten mal Schüssler-Salze ausprobieren. Oder ein Säure-Basen-Bad«, empfahl Günther, und ich sah sie schon den Rezeptblock zücken. » Das entspannt und entgiftet.«
Bislang hatte ich mir im Zusammenhang mit Günther ja immer nur Gedanken über das VER giften gemacht. ENT giften stellte eine vollkommen neue Herausforderung für meinen Intellekt dar. Selbiger schälte sich aber gerade erst maulend aus den Laken.
Trotzdem schaffte ich es auch ohne nennenswerte Gehirnaktivitäten, die kommenden vier langen Minuten des Telefonats zu überstehen. Ich versprach Günther, sofort etwas gegen meine Übersäuerung zu tun. Außerdem ließ ich mir von ihr eine Anleitung für Leberwickel und ein Rezept für Brennnesselsuppe diktieren.
Irgendwann verabschiedete sich Günther von mir, nicht ohne mir das Versprechen abzuknöpfen, bald wieder vorbeizukommen.
Erschöpft und mit eindeutig zu vielen überflüssigen Informationen im Kopf schenkte ich mir eine weitere Tasse übersäuernden Kaffees ein, der laut Günther meine Harnsäurewerte torpedierte und Sodbrennen förderte. Dann zündete ich mir eine Zigarette an. (Zu der hatte Günther immerhin nichts gesagt.) Und mir dämmerte: Konrads Mutter war mir in homöopathischen Dosen irgendwie lieber gewesen.
Gemischtes Doppel
Freitag, 17 . Juni, um 16 : 03 Uhr
Anscheinend gibt es im Hause Paulsen eine neue Taktik: Sie nehmen mich gemeinsam in die Klammer. Ich befinde mich seit mehreren Tagen in einer
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