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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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Krippen und Kindergärten, Tanten und weitere Verwandtschaft, die man für die private Kinderbetreuung abkommandieren konnte. Meine Mutter hatte es ja auch irgendwie hingekriegt.
    » Das waren eben andere Zeiten damals«, seufzte Günther mitleidheischend, und ich nickte, als wüsste ich, wovon sie redete. » Aber ich hab es nie bereut«, beeilte sie sich zu sagen. » Es ist schön, wenn man sich ganz auf die Familie konzentrieren kann. Sich aufopfern.« Willkommen im Jahr 1950! » Und ich hab ja noch meinen Garten.«
    Ja, genau. Und einen Sohn, den sie belagern, und einen Mann, den sie terrorisieren konnte. Und eine Schwiegertochter in spe, der die doppelte Ladung blühte!
    Mir wurde ein wenig flau im Magen. Immerhin begriff ich so langsam, was bei Günther schiefgelaufen war… na ja, immer noch schieflief. Wenn man keine andere Aufgabe hat, als sich permanent und rund um die Uhr, und das seit knapp dreißig Jahren, um zwei Chaoten wie Konrad und seinen Vater zu kümmern, dann war es ja fast nicht zu vermeiden, dass man geistig ein wenig… unterfordert war. Und deshalb alles an sich riss und kontrollieren wollte, was einem zwischen die Finger kam. Und dann wiederum, in weiterer Konsequenz, ein fetttriefendes Laster in Form von heimlichen Pizzaorgien entwickelte. Das schrie ja geradezu nach Frustfressen! Günthers Schilderung ihres aufopferungsvollen Lebens klang so trostlos, so unemanzipiert, so frustrierend, dass ich beinahe– aber wirklich nur beinahe– Mitleid bekam.
    » Ich freue mich ja schon so auf meine Enkelkinder. Eine neue Aufgabe!«
    Äh… ich glaube, die Erwartungen wurden soeben um ein paar Meter nach oben geschraubt.
    » Wollen Sie denn auch aufhören zu arbeiten, wenn Sie und Konrad Kinder bekommen?«
    Streichen Sie das mit dem Mitleid.
    Ich druckste herum, wand mich. Kinder? Enkelkinder? Aufhören zu arbeiten? Ich war erst seit ein paar Monaten mit Konrad zusammen, was sollten denn diese intimen Fragen? Darüber hatte ich ja noch nicht mal mit meinem Freund gesprochen, und den ging es ja noch eher an.
    » Also, ich glaube auch, dass die Mutterschaft sehr erfüllend ist…« Das hatte ich mal in einem Käseblatt gelesen. Ich glaube, es war die Apothekenrundschau. » Und auch die Hausarbeit erfüllt mich mit viel… Freude.«
    Günther lächelte mich an, dann an mir vorbei auf den von oben bis unten verdreckten Konrad, der im Türrahmen stand und sich den Bauch hielt vor stummem Lachen.
    » Konrad! Wie siehst du aus?«, zischte Günther. » Raus aus der Küche, aber flott!«
    Konrad trollte sich, und ich konnte sehen, wie seine Schultern vor Lachen zuckten. Scheiße. Hatte er meine Flunkerei also mitbekommen. Das würde ich mir noch in zehn Jahren aufs Brot schmieren lassen müssen.
    » Du kannst schon mal den Tisch decken«, rief Günther ihrem Sohn hinterher. » Essen ist gleich fertig.«
    Das Essen war wider Erwarten nicht ganz so schlecht wie sonst, aber was will man bei Spargel und Kassler auch falsch machen. Selbst Günther würde das nur schwer schaffen– aber man hat ja schon Pferde kotzen sehen.
    Nachdem der Pflichtteil vorüber war und ich bei einem von Günther begleiteten Museumsgang durch den Garten jeden einzelnen Grashalm wortreich bewundert und über den Klee gelobt hatte ( » Ganz entzückender Lavendel, wirklich! Ach, Flieder ist das. Meinte ich ja.«), machten sich Konrad und ich endlich auf in Richtung Heimat.
    Wir schwiegen. Ich schob das auf die Tonnen von Lebensmitteln, die Günther (ich brachte es einfach nicht übers Herz, sie– und sei es nur in Gedanken– Gudrun zu nennen) uns zu essen gezwungen hatte und die tatsächlich gar nicht mehr so megafies gewesen waren wie bei den letzten Besuchen. Konrad schob es wohl auf was anderes. Er blickte mich kurz von der Seite an. » Und? War’s schlimm?«
    Ich hätte ja gerne gesagt, dass es schlimm gewesen wäre. Und sei es nur, um Konrad diesen besserwisserischen Tonfall auszutreiben.
    Nein, es war nicht SOOO schlimm gewesen, ich lebte noch, hatte zumindest partiell leckeres Essen im Bauch und war von Günther in keiner Silbe auf den Pizzahut-Vorfall angesprochen worden. Stattdessen hatte sie sich, ob aufrichtig oder geheuchelt, wage ich nicht zu vermuten, für mich oder besser gesagt meine Rolle als Frau und die gemeinsame Familienplanung mit ihrem Sohn interessiert. Das war durchaus als kleiner Erfolg zu bezeichnen. Reichte nicht zur Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen, aber zumindest zur schriftlichen Bestätigung, dass

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