Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
Meine Mutter kommt mehr oder weniger nackt die Treppe runter. Sie trägt ein dunkelrotes Bikinioberteil, um die Hüften hat sie sich ein schlimmes Batiktuch gewickelt. Mir fallen ad hoc eine Menge Gründe ein, warum ich meinen Eltern erst dann meinen neuen Freund hätte vorstellen sollen, wenn ich einen unterschriebenen Ehevertrag und einen schweren Ring am Finger vorweisen kann.
» Ach, Kind, das hat aber gedauert… Das ist er also.« Meine Mutter stellt sich vor Konrad und begutachtet ihn wie ein Stück gut abgehangenen italienischen Schinken mit Kräuterkruste. » Ja, der ist gut, Tochter«, resümiert sie nach wenigen Sekunden. » Ein Prachtexemplar.«
» Mama«, stöhne ich, » wir sind hier nicht auf dem Pferdemarkt!«
Ich kann die Scham, die in mir aufsteigt, nicht beschreiben, als meine Mutter Konrads Gesicht mit beiden Händen umfasst und ihm einen fetten Schmatzer auf den Mund gibt. » Willkommen bei den Rautenbergs!«, sagt sie in Konrads fassungsloses, aber dennoch nicht unamüsiertes Gesicht. » Ich bin die Heidi.«
Willkommen bei den Rautenbergs. Das könnte der Titel des nächsten Remakes der Addams Family werden. Wild schnatternd und lachend ziehen meine Eltern ihr neues Opfer ins Wohnzimmer. Konrad taut erstaunlich schnell auf und sitzt schon bald barfuß und mit hochgekrempelten Ärmeln auf der Terrasse. » Ist aber auch ’ne Hitze!«, lächelt Konrad mir zu und öffnet einen weiteren Hemdsknopf. Meine Mutter freut sich über den Anblick und geht schnell zum fröhlichen Teil des Tages über, indem sie Erdbeerbowle ausschenkt. Um vier Uhr nachmittags, wohlbemerkt.
Eine halbe Stunde später hat Konrad einen sitzen und diskutiert wild mit meinem Vater die letzten Einsätze der Fußballnationalmannschaft. Meine Mutter hat sich in ihrem Stuhl zurückgelehnt und grinst leicht betüddelt und selbstvergessen.
» Konrad«, ergreift sie plötzlich das Wort und unterbricht die ehrenwerten Nachfolger von Netzer und Delling abrupt, » du gefällst mir echt viel besser als die anderen Gurken, die Juli hier immer angeschleppt hat!«
» Mama!«, sagte ich gut hörbar und mit Nachdruck, aber von mir nimmt nicht einmal mehr Konrad Notiz.
» Dieser Michael, mit dem sie mal zusammen war– hast du den mal kennengelernt?«
Konrad schüttelt den Kopf, ich erhebe das Glas und proste mir selbst zu. Jetzt muss es schnell gehen, alkoholtechnisch.
» Das war vielleicht ein Idiot! Und der sah aus– wie der letzte Ureinwohner, mit ungekämmten Haaren und dreckigem T-Shirt. Wie Juli sich in so jemanden verlieben konnte…« Sie schüttelt den Kopf, dann blickt sie verliebt meinen Vater an. » Von mir hat sie das nicht!«
Mein Vater grinst, nimmt ihre Hand und sagt: » Du hattest schon immer einen erlesenen Geschmack, mein Törtchen.«
Uaaaaaahhhh!, denke ich. Jetzt fangen wieder die schlimmen Namen an!
» Aber das Geheimnis einer langen Beziehung ist ja nicht nur das gute Aussehen«, bemerkt mein Vater oberlehrerhaft. Mir schwant Böses. » Das Sexualleben ist mindestens genauso wichtig!«
O Gott. Das ist die Apokalypse.
» Und da müssen wir uns vor euch jungen Leuten ja wirklich nicht verstecken«, schmachtet meine Mutter und lässt kokett ihren Busen wackeln.
Ich korrigiere: DAS ist die Apokalypse.
Das finde aber nur ich. Konrad amüsiert sich prächtig, in den kommenden zwei Stunden schlürft er Mamas Erdbeerbowle und lässt sich von Papa zu dessen größter Begeisterung den alten Käfer zeigen, der gerade in der Garage restauriert wird.
Meine Mutter zieht mich in die Küche. » Kind, also, ich weiß gar nicht, was du hast. Der Konrad ist doch ein ganz Toller!«
» Mama, ich hab überhaupt nie behauptet, dass er nicht toll ist!«
» Na ja«, erinnert sie mich an meinen letzten Besuch bei ihr, » du warst ja schon sehr unsicher zwischendurch. Gut, dass du das überwunden hast!« Sie drückt mich an sich. » Du darfst jetzt auch mal Glück haben, weißt du?«
Das finde ich nun fast wieder rührend und lasse zu, dass eine Welle von Zuneigung für meine Mutter durch meinen Körper flutet.
» Meinst du, dass Konrad Lust hat, im Herbst mal mit uns saunieren zu gehen?«
Ich sag es ja. Das Glück ist eine leichte Dirne.
That’s not my name
Dienstag, 28 . Juni, um 14 : 46 Uhr
Mit Geburtstagen habe ich noch nie viel anfangen können. Ich schreibe das Wort Geburtstag nicht gern, selbst am Computer vertippe ich mich ständig, per Hand ist es ein Desaster. Und dann muss ich jedes Mal eine fast
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