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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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Mordfalls versiegelt hatten. Die polizeilichen Ermittlungen im Fall des Selbstmordversuchs von Rafati standen kurz vor dem Ende. »Wir haben mehrere Hinweise auf einen Suizidversuch. Fremdverschulden kann nach wie vor ausgeschlossen werden«, fasste der Kölner Polizeisprecher Andre Faßbender die Ergebnisse zusammen. »Da es sich um keinen strafrechtlichen Aspekt handelt, ist der Fall aus polizeilicher Sicht erledigt. Es ist nun eine Angelegenheit der Mediziner.«
    ■ ■ ■
    In der ersten Nacht nach meiner Tat schliefen Rouja und meine Schwiegermutter bei mir in der Klinik. Angesichts meiner immer noch labilen Situation hatten die Ärzte eine Ausnahme gemacht und noch zwei Zusatzbetten ins Zimmer stellen lassen, damit ich nicht allein wäre. Richtig geschlafen hat keiner von uns. Ich merkte, wie ich aus Albträumen hochschreckte und schrie. Ich weinte und schluchzte, völlig erschöpft von dem Geträumten. Rouja eilte dann zu mir, versuchte mich zu halten und zu trösten. Es war eine furchtbare Nacht und ich hatte nur einen Gedanken, so schnell es geht weg von hier, nach Hause. Ich wollte mich verstecken, nichts mehr sehen und hören von dem, was da draußen geschah und immer stärker zurück in meine Wahrnehmung drängte. Ich hatte Angst davor, was da noch alles auf mich zukommen würde.
    Die Folgen meiner Tat und die mich sehr belastende Frage, was die Öffentlichkeit über mich denken würde, rückten in den Mittelpunkt meiner Gedanken. Ich hätte mich so gerne verschwinden lassen oder alles ungeschehen gemacht. Ich hatte Tagträume, dass in Wirklichkeit der Spieltag völlig normal verlaufen war, dass ich zu Hause auf dem Sofa nur eingeschlafen war und nur erwachen musste, damit alles wieder gut wäre. Aber so war es eben nicht. Der Ausweg, den mein Unterbewusstsein in der Krisennacht blitzartig als einzige Lösung meiner Probleme gesehen hatte, nämlich mein Leben auszulöschen, war zur gefährlichsten Sackgasse meines Lebens geworden, aus der ich alleine nicht wenden und wieder herausfinden könnte. Ich hatte immense Probleme, mich meiner neuen Situation zu stellen, meine Gedanken wanderten ständig zurück, ich wollte alles ungeschehen machen und in meine gewohnte Realität zurückkehren. Doch alle Brücken dorthin waren abgebrochen. Wenn ich am frühen Morgen tatsächlich in den Zug gestiegen und nach Hannover zurückgefahren wäre, mich krank gemeldet hätte, spätestens da wäre mir noch die Möglichkeit zu einem ehrenhaften Rücktritt aus dem Amt des Schiedsrichters geblieben. Diese letzte Möglichkeit einer Ehrenrettung hatte ich mir gründlich verbaut. Ich hatte nunmehr ein weit größeres Problem als vorher. Fandel hatte recht behalten. Ich war verbrannt, mein Ansehen ruiniert und unweigerlich überfielen mich immer wieder genau die zwanghaften Gedanken, die mich schon einmal an diese Schwelle geführt hatten.
    Zu diesem Zeitpunkt wusste keiner von uns, was wirklich mit mir los war. Eine Krankheit wie Depression wäre uns nicht ansatzweise in den Sinn gekommen. Heute weiß ich, ich hätte sofort handeln müssen. Es war nicht nur eine Kurzschlusshandlung gewesen – meine Seele war grundlegend beschädigt und ich brauchte dringend Hilfe. Statt Hilfe zuzulassen, tat ich alles, um in meine alte Rolle zurückzufallen – die des starken, handlungsbereiten Babak Rafati. Was für ein Irrtum! Genau dieses Rollenverhalten hatte mich an den Abgrund geführt.
    Roujas schützender Kokon zerplatzte wie eine Seifenblase, als plötzlich ein Arzt ins Zimmer kam und fragte, ob ich in der Lage sei, der Polizei ein paar Fragen zu beantworten. Wieso Polizei? Ich hatte doch nur mir selbst etwas angetan. Ich wurde noch ängstlicher, als zwei Zivilbeamte ins Zimmer traten, mir meine verräterischen Notizen der vergangenen Nacht zeigten und mich fragten, ob ich das geschrieben hätte. Ich erkannte in dem wirren Gekrakel gerade noch, dass es meine Schrift war, auch wenn diese sehr schwer kenntlich und unsauber war. Die bruchstückhaften, immer wieder abbrechenden Notizen waren ein einziger Wut- und Verzweiflungsschrei. Über mein Leben und die vielen verletzenden Worte, die ich als Schiedsrichter erfahren hatte. Das ist wirklich sehr privat, die letzten Nachrichten eines Menschen, der sterben will. Und ich werde nicht im Detail preisgeben, was genau auf diesen entdeckten, im Papierkorb entsorgten und weggespülten Notizen stand. Ich fühlte Scham heiß in mir aufsteigen, dass meine innersten Gedanken nun aller

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