Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
Vom Netzwerk:
dem Geschäftsführer einen
diskreten Wink gegeben. Er eilte stehenden Fußes herbei, gefolgt von
dem Ober. Eine Kellnerin gesellte sich ebenfalls binnen Sekunden dazu,
und schon herrschte um Flora herum der reinste Volksauflauf.
    Sie hielt sich mit beiden Händen an der Theke fest. Ihr war
schwindlig, und sie schwitzte. Vor ihren Augen kreisten rote Wirbel.
Alle redeten durcheinander, doch sie hörte nur einzelne Satzfetzen. Die
Worte drangen wie durch dichten Nebel zu ihr.
    »Nicht genug Geld …«
    »Zechprellerin …«
    »… besser irgendwie so regeln?«
    Die letzte Stimme klang anders, nicht so böse.
    »… nichts dagegen, wenn Sie …«
    »… das hier dürfte wohl …«
    »… Ordnung, danke auch.«
    »… sicher besser aufpassen, wenn sie noch einmal …«
    Jemand drückte ihr die Tüte in die Hand, fasste sie bei den
Ellbogen und führte sie auf die Straße. Es war die Frau von der Kasse.
»Alles wieder in Ordnung?«, fragte sie.
    Flora nickte benommen. »Was ist denn jetzt?«, stammelte sie.
    »Haben Sie's denn nicht mitgekriegt?«
    »Was?«
    »Ein anderer Gast hat die fehlende Summe ausgeglichen.« Die
Frau nickte ihr zu und kehrte ins Lokal zurück. Flora starrte
angestrengt auf die Tüte in ihren Händen. Sie hatte nicht den leisesten
Zweifel daran, wer der Gast war, der sie gerade eben auf grenzenlos
herablassende, unerträglich samariterhafte Art aus ihrer Zwangslage
erlöst hatte. Flora biss heftig die Zähne zusammen, doch ihre Gefühle
ließen sich nicht einfach so wegknirschen. In ihr brodelte rasender,
unauslöschlicher Zorn.
    »Und wir ziehen die Knie an die Brust!«,
schrie Hildegard, begleitet vom Jammergefiedel der
Entspannungskassette. Ihr Gymnastikanzug spannte über dem
hervorquellenden Busen, als sie die Arme hob. »Höher die Knie, bis oben
hin! Am besten bis an die Schultern! Und schön weit auseinander, die
Damen!«
    Flora ächzte und bemühte sich, das Unmögliche möglich zu
machen. Sicher hätte sie es genauso gut gekonnt wie die anderen Frauen,
wenn jemand bei ihr gewesen wäre, der ihr den Kopf gestützt hätte.
Heiner zum Beispiel. Aber den hatte sie heute überhaupt noch nicht
gesehen.
    Sie krümmte sich wie eine verunglückte Schildkröte und fiel
keuchend auf die Seite. Wenn sie erst auf dem Kreißbett lag und ihre
Presswehen bekam, würde sie improvisieren müssen. So, wie es momentan
stand, würde sie völlig unvorbereitet da reingehen müssen, ohne den
leisesten Hauch einer Hecheltechnik.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Tobias von Anitas
anderer Seite über den Hallenboden zu ihr herüberkroch und sich
zwischen die beiden Freundinnen hockte. Er schob seine Hand wie eine
Schale hinter Floras Kopf und stützte sie. Mit der anderen Hand erwies
er seiner Frau denselben Dienst.
    »Tobias, du bist ein Schatz«, sagte Flora. Ihre Knie gelangten
wie von selbst nach oben.
    »Wir wollen hecheln!«, schrie Hildegard gegen das Gefiedel auf
dem Band an.
    Flora erzählte Anita hechelnd von dem gestrigen Debakel. »Und
das Schlimmste ist, dass ich diesem selbstgefälligen Typ jetzt auch
noch dankbar sein muss.«
    »Wir wollen alle hecheln!«, rief Hildegard mahnend in ihre
Richtung.
    »Dann hechel doch, du blöde Kuh«, murmelte Anita. Zu Flora
sagte sie: »Du siehst das völlig falsch. Stell dir vor, du hast es mit
einem Menschen zu tun, der so gut wie nie die Gelegenheit hat, was
Sinnvolles zu vollbringen. Und da kommst du, hast dein Geld vergessen
und verschaffst ihm die lang ersehnte Chance, wenigstens einmal
anständig zu sein. Der Pfadfinder in ihm erwacht, er kann es endlich
tun – eine gute Tat!«
    »Meinst du?«, fragte Flora unsicher.
    »Sicher. Sieh das mal so: Dieser Anwalt saugt den Leuten ohne
Ende das Geld aus der Tasche. Für den sind zwölf Mark doch Müll. Frag
mich mal, was diese Typen pro Stunde verdienen.«
    »Wie viel?«
    »Zwischen dreihundert und achthundert, je nachdem, wie gut sie
sind.«
    Tobias pfiff durch die Zähne.
    »Nicht loslassen, Schatz«, sagte Anita.
    Flora hechelte ein paar Takte, dann schüttelte sie den Kopf.
»Ich weiß, worauf du hinauswillst. Aber es geht mir nicht um das Geld,
ich weiß selber, dass das für den Typ nicht viel war. Es war einfach
diese … maßlose Arroganz, mit der er mir zu verstehen gab,
dass ich ein armes Würstchen bin und er der reiche Macker.«
    »Arroganz ist nicht nur den Reichen vorbehalten«, belehrte
Anita sie.
    Diese Spitze saß. Floras Gedanken wanderten augenblicklich zu
Heiner. Als hätte Anita

Weitere Kostenlose Bücher