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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Anliegen nicht ablehnend gegenüber, sondern er war einfach nur
zwanghaft schüchtern, mit dieser dicken Brille, die ihn wie einen
behinderten Frosch aussehen ließ. Flora spann ihre Fantasievorstellung
zu ihrer eigenen Beruhigung weiter: Er nahm diese defensive Haltung
bloß ein, um fehlende Männlichkeit zu kompensieren, nicht etwa, weil er
ihr keinen Kredit geben wollte. Er war gehemmt, vermutlich sogar
geradezu zwanghaft schüchtern, verklemmt und impotent. Aber im Grunde
hatte er ein gutes Herz, also würde sie den Kredit ganz sicher kriegen.
    Flora wäre erschüttert gewesen, wenn sie die Wahrheit gewusst
hätte. Xavier war nicht nur tatsächlich gehemmt, verklemmt und impotent
(Letzteres seit jener Nacht, in der das einzige Mädchen, mit dem er je
intim geworden war, behauptet hatte, er sehe beim Orgasmus aus wie
Kermit der Frosch), sondern er war außerdem felsenfest entschlossen,
dieser Frau vor ihm keinen Kredit zu geben. Dieser Entschluss gründete
sich indessen keineswegs auf persönliche Abneigung, sondern
ausschließlich auf gesunden Menschenverstand. Die Frau war seit zwei
Jahren Kundin bei diesem Institut, doch die Umsätze auf ihrem Konto
waren lächerlich. Praktisch nicht vorhanden. Sie war ganz einfach nicht
kreditwürdig. Es sei denn …
    Er legte die Hände nebeneinander auf den Schreibtisch. Offen.
    Flora gestattete sich ein leichtes Aufatmen.
    »Wie steht es mit Sicherheiten?«, fragte er.
    »Sicherheiten?«, fragte sie verständnislos zurück.
    »Sicherheiten«, bestätigte Xavier. »Zum Beispiel ein Wagen,
eine Immobilie, Wertpapiere, eine Lebensversicherung, Sparverträge,
Schmuck.«
    »So direkt habe ich keine Sicherheiten.«
    »Und indirekt?«
    »Auch nicht.«
    »Dann frage ich mal andersrum: Wofür wollen Sie das Geld
verwenden?«
    »Das möchte ich lieber nicht sagen«, meinte sie errötend.
    Xavier nahm seine Brille ab und putzte sie. Diese Frau erwies
sich als zunehmend nervtötend. »Nun, es verhält sich so: Wenn Sie zum
Beispiel das Geld zum Erwerb eines Wagens verwenden würden, könnte
unter gewissen Umständen ein Kredit denkbar sein. Weil Sie ja dann eine
Sicherheit hätten. Bliebe zwar noch ihre unzureichende Umsatzsituation,
aber damit könnten wir vielleicht leben.«
    »Und was wäre«, fragte Flora vorsichtig, »wenn ich, sagen wir
mal – nur so zum Beispiel – das Geld einfach zum
Leben ausgeben würde?« Und, fügte sie in Gedanken hinzu, außerdem für
eine Wickelkommode und ein Kinderbett – genau die restliche
Babyausstattung, die ihr noch fehlte. Aber das ging diesen Frosch
nichts an.
    Xavier verschränkte die Arme wieder. »Dann kann ich Ihnen zu
meinem Bedauern nur mitteilen, dass wir Ihnen leider keinen Kredit
bewilligen können.«
    Flora zwinkerte hastig gegen die aufsteigenden Tränen an. Sie
kämpfte sich aus dem Besucherstuhl hoch und blieb zu allem Überfluss
mit ihrem besten Umstandskleid an der Lehne hängen. Der dünne Stoff
zerriss mit durchdringendem Bersten, und Flora wunderte sich vage, dass
so zartes Gewebe solchen Krach verursachen konnte. Es dauerte ein paar
Momente, bis sie ihrer doppelt misslichen Lage gewahr wurde: Erstens
stand sie mit einem zerfetzten Kleid im Büro dieses widerlichen,
froschgesichtigen Filialleiters, und zweitens würde sie gleich genauso
arm wieder nach Hause gehen, wie sie hergekommen war. Nein, noch ärmer.
Viel ärmer. Um die allerletzte Hoffnung ärmer.
    Sie nahm mutlos die ihr dargebotene Hand (die ekelhaft feucht
war) und hatte schon die Türklinke ergriffen, als ihr unvermittelt die
rettende Idee kam. Sie griff eifrig in ihre Tasche und kam
hoffnungsvoll strahlend zu Xavier zurück.
    Xavier musterte die Diskette, die sie ihm hinstreckte.
    »Was ist das?«, fragte er, um Höflichkeit bemüht.
    »Eine Diskette«, sagte Flora, ebenso höflich, das zerfetzte
Kleid vor ihren Oberschenkeln zusammenraffend.
    »Ich weiß, dass das eine Diskette ist. Aber was soll ich
damit?«
    »Das ist meine Sicherheit.«
    »Interessant. Sicher etwas gänzlich Neues für unsere
Kreditabteilung.«
    Sein Sarkasmus entging Flora völlig. »Ich schreibe gerade an
einem Krimi, und auf der Diskette ist das Manuskript. Es ist zu drei
Vierteln fertig.«
    Xavier gab ihr mit einem falschen Lächeln des Bedauerns die
Diskette zurück.
    »Es tut mir ganz außerordentlich Leid, Frau Zimmermann. Aber
leider gibt es in unserer Bank gewisse unumstößliche Vorschriften. Eine
davon lautet: Kein Kredit ohne ausreichende Sicherheit.«
    Flora fühlte sich,

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