Ich schnapp' mir einen Mann
Diskette
hervorkramte und das Dokument auf die Festplatte lud. »Ich kenn mich
mit so was aus. Und ich guck auch nicht in deine Dateien.«
»Danke«, murmelte Anton.
Er musste dringend telefonieren. Wieso hatte er nicht schon
eher daran gedacht? Inzwischen war es bereits nach fünf. Sie waren den
halben Tag sinnlos in der Gegend herumgekurvt. Das musste aufhören. Es
war höchste Zeit, dass er seine Chancen sondierte, dass er allen
Leuten, die ihn kannten, die Wahrheit mitteilte. Dass er eine Strategie
plante, wie er allen, die es anging, seine Unschuld beweisen konnte.
Und zwar ohne bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit im Knast zu
sitzen.
Flora tippte wie besessen und nahm kaum wahr, dass Anton in
einer wenig befahrenen Straße parkte und sein Handy von der Rückbank
holte.
Sekunden später warf er es fluchend zurück nach hinten. Es
musste was abgekriegt haben, als es heute Morgen in der Bank auf den
Boden gefallen war. Nein, als diese Nervensäge es runtergeworfen hatte,
verbesserte er sich und schaute Flora wütend an. Konzentriert auf das
Display starrend, merkte sie nicht mal, dass er weiterfuhr, um eine
Telefonzelle zu suchen.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis Anton endlich
mit Schnellberger sprechen konnte.
Während er wartete, dass die Sekretärin das Gespräch
durchstellte, bemühte Anton sich, so flach wie möglich zu atmen. In der
Telefonzelle stank es durchdringend nach Urin. Eine Hälfte des
Telefonbuchs war zerrissen, die andere Hälfte verkohlt. Ein Wunder,
dass wenigstens das Telefon funktionierte.
Diese Zelle war die fünfte, die Anton innerhalb der letzten
Stunde hatte anfahren müssen. Die ersten vier waren Kartentelefone
gewesen, und als Handybesitzer der ersten Stunde hatte Anton noch nie
mit einer Karte telefoniert.
Hier, in dieser Zelle, hatte Anton endlich Geld einwerfen
können, nur um sofort festzustellen, dass er die Nummer der Kanzlei
nicht kannte. Seine private Kurzwahlliste nützte ihm in einem
öffentlichen Fernsprecher wenig. Zu seiner grenzenlosen Erbitterung
hatte er die Nummer der Kanzlei, deren Teilhaber er in Kürze werden
sollte, von einer seiner Visitenkarten ablesen müssen.
Es goss wie aus Kübeln. Der Regen schlug in wahren Sturzbächen
gegen das Glas der Zelle. Anton fühlte sich wie in einem Aquarium, bei
dem das Wasser draußen war. Ein passender Vergleich, dachte er. Ein
Fisch auf dem Trockenen.
»Herr Kollege«, meldete Schnellberger sich in reserviertem
Tonfall. »Sie ahnen ja gar nicht, was sich hier heute schon abgespielt
hat!«
»Es tut mir Leid. Ich konnte nicht zu den Terminen erscheinen.
Ich war da in eine unangenehme Sache verwickelt.«
»Ich meine nicht die Termine«, sagte Schnellberger.
»Nicht?«
»Nein. Ich meine diese unangenehme Sache.«
»Oh.«
»Ja, allerdings. Wir hatten hier Besuch von einem äußerst
unsympathischen Herrn von der Kripo namens Kleff. Wir wurden …
vernommen.« Schnellberger spie das Wort förmlich hervor. »Und zwar wir
alle. Er wollte jedes noch so nebensächliche Detail über Ihre Person
erfahren. Über Ihre Arbeitsmoral, Ihren Werdegang, Ihre bevorzugten
Aufenthaltsorte, Ihren möglichen Hang zu kriminellen Handlungen, Ihre
eventuellen Neigungen zu unkontrollierten Ausbrüchen.«
Als Nächstes hätte Schnellberger sagen müssen: Keine Sorge, da
gab es ja überhaupt nichts zu erzählen, wir haben Sie in den höchsten
Tönen gelobt, und nach fünf Minuten war der Typ wieder draußen.
»… Antipathie gegen Sie persönlich?«, fragte Schnellberger.
»So kam es uns jedenfalls vor! Er ließ einfach nicht locker, egal, was
wir ihm erzählten! Es dauerte Stunden. Stunden! Er hat den ganzen
Kanzleibetrieb lahm gelegt! Es war unvorstellbar. Wir haben dadurch
Ausfälle, die … Aber lassen wir das.«
»Gut«, sagte Anton schwach.
»Ich kann nach dem, was heute war, nicht ausschließen, dass er
wiederkommt. Mit einem Durchsuchungsbeschluss womöglich. Sie können
sich vorstellen, was das bedeutet!«
Anton konnte. In jeder Kanzlei gab es etwas zu finden. Vor
allem Dinge, nach denen man eigentlich gar nicht gesucht hatte. Es war
ganz legal, dass Anwälte vieles wussten, was den Behörden unbekannt
war. Aus diesem Grund gab es ja schließlich die anwaltliche
Schweigepflicht.
»Die anderen Partner und ich gehen davon aus, dass Sie das
innerhalb kürzester Zeit wieder in Ordnung bringen.«
Ein unausgesprochenes sonst … blieb unheilverkündend
in der Leitung hängen.
Im Klartext bedeutete dies, dass … ja,
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