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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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was? Darüber
würde Anton sich später Gedanken machen. Falls er dazu noch die Kraft
aufbrachte.
    »Selbstverständlich, Herr Kollege«, flüsterte er.
    »Wie bitte?«
    Anton hängte ein.
    Er versuchte nochmals, bei sich zu Hause anzurufen, doch wie
vorhin war die Leitung besetzt. Wenigstens schien Tamara in der Wohnung
zu sein. Möglicherweise hatte sie aber auch das Telefon abgeschaltet,
überlegte Anton trübsinnig, weil sie die vielen sensationsgierigen
Anrufe einfach nicht mehr ertragen hatte.
    Flora tippte immer noch, als Anton wieder in den Wagen stieg.
Der Innenraum des BMW war das reinste Treibhaus. Dampfende Schwaden
stiegen aus feuchten Kleidungstücken auf und beschlugen die Scheiben.
    Anton wollte nur noch nach Hause. Zu Tamara. Sie erschien
Anton plötzlich als Leuchtfeuer in rabenschwarzer Nacht, das einzige
Licht, das ihm noch blieb in dieser Welt der Düsternis. Sie würde ihm
zuhören, ihn trösten, ihn verstehen, ihm Mut machen.
    Doch vorher …
    »Wo soll ich Sie absetzen?«
    Flora hörte gar nicht zu. Ihre Finger flitzten wie rasend über
die Tasten.
    »Wohin kann ich Sie fahren?«
    »Sekunde.«
    Anton wartete eine Sekunde. Wartete zehn Sekunden. Wartete
eine Minute. Startete dann den Wagen, fuhr los.
    »Wohin wollen Sie?«, fragte er an der nächsten roten Ampel.
    »Hm?«
    »Hören – Sie – mir – zu!«, befahl
er laut und deutlich. »Ich will jetzt nach Hause! Allein!«
    Flora blickte unwillig auf. »Was hast du gesagt?«
    »Dass ich nach Hause will.«
    »Das ist keine gute Idee, wenn du mich fragst.«
    »Sie fragt aber keiner.«
    »Dich fragt aber keiner.«
    »Bitte?«
    »Dich«, wiederholte Flora. »Wir duzen uns doch. Schon
vergessen?«
    »Na gut. Dann sagst du mir jetzt, wo ich dich absetzen soll.«
    Flora starrte ihn an, als hätte er ihr soeben eröffnet, dass
sie nur noch wenige Minuten zu leben hätte. Nein, schlimmer. Als hätte
er ihr ein Messer mitten ins Herz gestoßen.
    Er sah an ihr vorbei und räusperte sich. »Also? Wo?«
    Sie blinzelte heftig, dann nickte sie langsam. »Am besten
hier.«
    Sie wollte also nicht zu sich nach Hause. Das leuchtete ein,
fand Anton. Zu diesem Heiner hätte er an ihrer Stelle auch nicht
zurückgewollt.
    »Sind Sie sicher, dass Sie ausgerechnet hier aussteigen
wollen?«, fragte er.
    »Genau hier. Halt einfach an und lass mich raus. Ich find mich
schon zurecht. Ich hab überall Freunde, die mich sofort aufnehmen
würden. Allein hier in dieser Ecke wohnen bestimmt an die zwanzig
Leute, bei denen ich unterkriechen kann.«
    Anton hielt auf der Stelle an, stieg aus, ging um den Wagen
herum, öffnete ihr die Tür und half ihr beim Aussteigen.
    »Alles Gute«, sagte er. »Wenn Sie meine Hilfe als Anwalt
brauchen – ich stehe im Telefonbuch.«
    Sie blieb stumm auf dem Bürgersteig stehen, ihre Handtasche
gegen den dicken Bauch gedrückt, und sah zu, wie er wieder einstieg.
Der Regen prasselte auf sie herab, und binnen weniger Augenblicke war
sie triefend nass.
    Der BMW setzte sich in Bewegung, und ein paar Sekunden später
war er hinter der nächsten Straßenecke verschwunden.
    Flora konnte sich nicht bewegen. Sie war paralysiert. Er hatte
es tatsächlich getan. Hatte sie hier auf die Straße gesetzt und allein
gelassen. Sie starrte blicklos in den Regen, auf die Stelle, wo der BMW
abgebogen war, als könnte sie durch die Kraft ihres Willens erzwingen,
dass Anton es sich im letzten Moment anders überlegte.
    Ich will, dachte sie, dass er jetzt umdreht, wieder herkommt
und mich mitnimmt!
    Doch natürlich klappte es auch diesmal nicht. Männer
reagierten nun mal nicht auf diese Art von Fernhypnose. Und Anwälte
erst recht nicht.
    Sie war auf sich selbst gestellt und sollte es akzeptieren.
Sie sollte versuchen, diese lähmende, entsetzliche Hoffnungslosigkeit
abzuschütteln. Nicht mehr daran denken, dass sie sich fühlte, als hätte
ihr jemand alle wichtigen Glieder amputiert. Sie täte gut daran, sich
wenigstens unter einen Hauseingang zu flüchten und dort abzuwarten, bis
es aufhörte zu regnen. Doch sie brachte nicht einmal das fertig. Sie
stand einfach da und ließ sich naßregnen.
    Anton fuhr nicht weit, höchstens fünfzig Meter. Dann wurde
seine Gewissheit, das größte Schwein auf Erden zu sein, übermächtig. Er
bremste, hielt und schlug fluchend mit der Faust aufs Lenkrad.
»Scheiße. So eine Scheiße!«
    Er wendete und fuhr zurück. Sie stand immer noch da, mitten
auf dem Bürgersteig, im strömenden Regen. Er wartete, bis sie
eingestiegen

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