Ich schnapp' mir einen Mann
blitzte
zu Anton hoch. »Schwangere Frauen sollten viel schwimmen. Das ist der
einzige Sport, den sie bis zum Schluss treiben können. Weiß ich von
meiner Tochter. Die kriegt gerade das Dritte.«
Anton nickte krampfhaft, stammelte einige heisere Dankesworte
in Richtung Empfang und jagte wie von Furien getrieben die restlichen
Stufen hinauf.
Sein Herz raste immer noch zum Zerspringen, als er die
Zimmertür aufschloss. Er ließ die Tasche in dem kleinen Korridor
fallen, riss sich die Jacke und die Mütze herunter, schleuderte beides
in die Ecke, taumelte ins Zimmer und warf sich aufs Bett. Er blieb
keuchend liegen, in der sicheren Überzeugung, dass ihn diese letzte
Minute mindestens fünf Jahre seines Lebens gekostet hatte.
Von Flora war nichts zu sehen, doch er vernahm ihr fröhliches
Geträller durch die geschlossene Badezimmertür. Die Melodie klang wie
ein Song von Michael Jackson, den sie anscheinend mit eigenem Text
unterlegt hatte. Er hörte nur vereinzelte Worte wie hinab, tief hinab,
und einmal glaubte er etwas wie Beckenboden zu verstehen.
Wahrscheinlich lag sie in der Wanne und tauchte zwischendurch unter,
nur so zum Spaß. Jedenfalls ließ sie es sich gut gehen. Sie schien
bestens drauf zu sein. Im Gegensatz zu ihm.
Anton wäre am liebsten eingedöst, doch er wollte das Bett
nicht versauen. Außerdem hatte er wichtige Dinge zu erledigen.
Er quälte sich hoch, holte den Laptop aus der Tasche, suchte
die Netzverbindung heraus und schloss das Gerät an der Steckdose über
dem kleinen Schreibtisch an. Er war erleichtert, dass alles
funktionierte. Dann öffnete er eine neue Datei und fing mit seinen
Notizen an, indem er alle spontanen Gedanken niederschrieb, ohne
besonderes System, einfach als Stoffsammlung, so, wie er es immer
handhabte, wenn er eine umfangreiche Verteidigungsschrift vorbereitete.
Der Unterschied war nur, dass er diesmal sein eigener Mandant war.
Woraus folgte, dass er diesmal nicht wie sonst zur Tagesordnung
übergehen konnte, falls er versagte.
Flora kam vor Sauberkeit glänzend ins Zimmer, das Haar noch
feucht und die Wangen rosig vom Bad. Sie duftete nach Hotelbodylotion
und sah in dem Hotelbademantel aus wie eine weiße Frotteekugel.
Eine Kugel auf hübschen nackten Beinen, wie Anton beim zweiten
Hinsehen feststellte.
Sie war offensichtlich enttäuscht, dass Anton den Laptop mit
Beschlag belegt hatte. »Wir können uns ja abwechseln«, sagte sie
hoffnungsvoll, während sie den Kühlschrank öffnete und die Minibar
inspizierte. »Wirst du lange brauchen? Was schreibst du überhaupt?«
»Eine Verteidigungsschrift für wichtige Mandanten.«
»Ach so. Für wen denn?« Flora riss ein Päckchen Erdnüsse auf
und fing an zu knabbern. »Oder ist das zu indiskret? Du musst es mir
nicht sagen, wenn du nicht willst.«
»Ich sag's dir aber. Für mich. Und für dich.«
Flora verschluckte sich an einer Nuss und legte das Päckchen
weg.
»Willst du was aus der Minibar? Einen Piccolo? Oder ein
Bier?«, fragte sie.
»Nein, danke«, murmelte Anton. Er kam gerade richtig in Fahrt
mit seiner Argumentation. Zunächst galt es, die dubiose Rolle des
Ermittlers herauszuarbeiten. Hierzu fiel ihm auf Anhieb am meisten ein.
Die Worte drängten sich wie von selbst auf den Bildschirm. Kleff, der
diesen Fall aus reiner persönlicher Abneigung aufbauschte. Der die
falschen Verdächtigen jagte, weil es ihm in seinen Privatkram passte.
Der seine Befugnisse missbrauchte und den Behördenapparat in Bewegung
setzte, um eigene Rachegelüste zu befriedigen. Anton schwor sich, mit
seiner Beweisführung jeden Richter von den unlauteren Motiven dieses
Mannes zu überzeugen.
Flora packte derweil die Reisetasche aus und räumte
verschiedene Kleidungsstücke in den Schrank. Anita hatte wirklich an
alles gedacht, wie sie voller Zufriedenheit feststellte. Rasierzeug,
Unterwäsche, Schuhe, Socken, T-Shirts und Jeans für Anton, diverse
Umstandsbekleidung, Wäsche und Slipper für Flora. Sie hatte sogar
einige Kosmetika und das neue Eltern-Sonderheft Schwangerschaft und
Geburt eingepackt! Flora war gerührt. Sie legte sich aufs Bett und
blätterte eine Weile in dem Heft. Anschließend nahm sie die
Fernbedienung vom Fernseher, hockte sich im Schneidersitz aufs Bett und
schaltete so lange um, bis sie eine interessante Sendung gefunden hatte.
Anton hörte Schartenbrinks Stimme und traute seinen Ohren
nicht.
»Seit Tagen verfolgt die Öffentlichkeit voller Spannung die
Flucht des Mannes und der Frau, die im Verdacht
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