Ich schnapp' mir einen Mann
sich
überdurchschnittlich häufig. »Bist du allergisch oder so?«
»Ja, gegen Flöhe schon.«
Sie stieß einen schrillen Laut des Abscheus aus und rückte von
ihm ab, soweit es der enge Innenraum des Trabi zuließ.
»Und da hast du dich noch auf mich gelegt!«, sagte sie
anklagend.
Er war in eigentümlich friedfertiger Stimmung und wies sie
daher nicht darauf hin, dass sie die Nacht gemeinsam verbracht hatten,
dicht aneinandergeschmiegt, unter derselben Robe im selben Heu.
Im Wartehäuschen dieser Linie waren sie
einigermaßen sicher. Der letzte Bus an diesem Abend war schon vor einer
halben Stunde abgefahren.
Tobias und Anita saßen bereits auf der Bank und warteten, als
Flora und Anton eintrafen. Sofort sprangen beide auf, umarmten Flora
und redeten überstürzt auf sie ein, ohne sich dabei nach einer
bestimmten Reihenfolge zu richten.
»Du Ärmste, was musst du mitgemacht haben!«
»Ich wusste gleich, dass alles ein Irrtum ist!«
»Wie konnte das nur passieren!«
»Das ist alles bloß Heiners Schuld!«
»Hast du deinen Mütterpass dabei?«
»Warum hast du nicht früher angerufen?«
»Hast du Hunger?«
»Ja!«, rief Flora dazwischen. »Habt ihr was dabei?«
Sie ließ sich auf die Bank fallen, zog ein Brot mit Schinken
und Remoulade aus dem Proviantbeutel, den Anita ihr reichte und fing
ohne Umschweife an zu futtern.
Anton setzte sich neben sie und schalt sich, dass er nicht an
ihren unerschöpflichen Appetit gedacht hatte. Was von seinen Einkäufen
am Mittag noch übrig geblieben war, hatte er selbst verputzt und die
wenigen Reste dann weggeworfen.
Anitas Wangen waren hochrot vor Aufregung. Ihr Bauch unter der
Umstandslatzhose wölbte sich ebenso stark wie der von Flora. Anton
vermutete, dass auch sie kurz vor der Niederkunft stand.
Sie erzählte von Kleffs Besuch am frühen Abend, ganz
informell, wie er behauptet hatte, doch damit hatte er natürlich
niemanden täuschen können. Dafür hatte er einfach zu viel von ihnen
über Flora wissen wollen. Die privatesten Dinge hatte er aus ihnen
rausgequetscht, doch was sollten sie machen?
Aber er konnte ihnen überhaupt nichts, fuhr Anita fort, und
sie hätten ihm nicht mal was vorlügen müssen, weil sie ja gar nicht
gewusst hatten, was zum Teufel eigentlich los war. Sie berichtete ohne
Punkt und Komma weiter, wie er sie mit seinen blöden Fragen über Floras
Privatleben genervt hatte, mindestens eine Stunde lang, und dass sie
ihn dann, endlich, einfach rausgeschmissen hätten. Mehr oder weniger.
Eher weniger, behauptete Tobias. Er wäre ganz freiwillig
wieder abgerückt, wahrscheinlich hätte er einfach gemerkt, dass sie
wirklich nichts wussten.
Flora fand ein weiteres Brot, diesmal mit Salami auf
Kräuterbutter, und vertilgte es in Rekordtempo. Dazu schlürfte sie
Orangensaft aus einem Trinkpäckchen. Unterdessen eröffnete Anita ihnen
triumphierend, wie genial sie und Tobias die ihnen von Flora
telefonisch übertragene Aufgabe gelöst hätten.
»Wir haben im Schiller für euch gebucht!«, flüsterte sie. »Und
wir haben alles so gemacht wie besprochen. Ich in dem blauen
Umstandsmantel und Tobias mit Windjacke, Schirmmütze und Sonnenbrille.
Ist übrigens jetzt alles in der Tasche da. Und stellt euch vor: Ihr
habt wahnsinnigen Dusel! Der Nachtportier ist so gut wie blind. Er
trägt 'ne Brille mit mindestens hundert Dioptrien.«
»So viele gibt's gar nicht«, wandte Tobias ein. »Zumindest
nicht in einer einzigen Brille.«
»Ist doch egal. Jedenfalls sagte er – ihr müsst dazu
wissen, dass wir die Reisetasche dabeihatten, um echter zu
wirken – also, er sagte, wenn wir den Hund auch mit hochnehmen
wollten, könnten wir ein Hundekörbchen kriegen. Ich sagte: Welcher
Hund? Und da guckte er doch tatsächlich auf die Reisetasche!«
»Sie war offen«, ergänzte Tobias, »und die Perücke lag oben
und hat rausgeguckt.«
»Ist doch egal. Jedenfalls, der Typ sieht nichts. Und er passt
auch nicht auf. Kein bisschen. Ihr könnt gleich reingehen und ganz cool
am Empfang vorbeilaufen. Er wird das überhaupt nicht mitkriegen. Als
ich vorhin noch mal drin war und an ihm vorbeimarschiert bin –
nur so, probehalber –, hat er nicht mal hochgeguckt. Er war
total in sein Buch vertieft.«
»In dem er nicht lesen kann, weil er sowieso nichts sieht«,
neckte Tobias sie.
Anita ging nicht darauf ein. »Hier ist die Tasche. Mit allem,
was ihr braucht. Inklusive Netzteil für den Laptop.«
Sie schob Flora eine übergroße, prall gefüllte
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