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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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stehen, einen
Banküberfall begangen zuhaben. Der Anwalt und die Mutter, wie die
beiden inzwischen allgemein genannt werden, konnten trotz lückenloser
Fahndung immer wieder untertauchen. Uns interessierten heute die
Menschen, die den beiden nahe standen.«
    Anton schob ruckartig den Stuhl zurück, ging zum Bett und
setzte sich. Er starrte ungläubig auf den Fernsehschirm.
    »Du sitzt im Bild«, tadelte Flora ihn.
    Er rutschte neben sie, bis sie beide sehen konnten.
    Schartenbrink spazierte durch eine Halle, den Blick zurück
über die Schulter in die Kamera gerichtet. Rings an den Wänden,
strategisch platziert, befanden sich dutzende von Heiners Gemälden.
Überall reckten beflissene Zuschauer ihre Köpfe ins Bild, bis sie
sicher sein konnten, von ihren Lieben daheim auch bemerkt zu werden.
    In der Mitte der Halle war ein Podest aufgebaut, und auf dem
Podest …
    »Nein«, sagte Anton. »Das glaub ich nicht!«
    »Sei doch mal still, Mensch!«
    »Heute«, sagte Schartenbrink mit todernster Miene, »besuchen
wir den Expressionisten Heiner van Beck und die Aktionskünstlerin
Tamara Berger.«
    »Aktionskünstlerin!« Anton brachte das Wort nur unter Mühen
heraus. »Sie ist … nackt!«
    »Psst!«
    »Sie hat nichts an! Überhaupt nichts!«
    »Das stimmt nicht«, widersprach Flora. »Sie hat Farben an.
Sogar verschiedene.«
    In mehreren Nahaufnahmen wurden diverse Körperpartien von
Tamara gezeigt. Die spitzen Brüste, die schlanke Taille, die runden
Hinterbacken. Ein großer Borstenpinsel erschien mal hier und mal da,
vertupfte Zitronengelb, verstrich Tomatenrot, verteilte Himmel- und
Pflaumenblau, scheinbar planlos herumkreisend und immer neue, immer
wildere, immer buntere Muster produzierend.
    Zwischendurch erschien Heiner in Großaufnahme. Im Malerkittel
und mit großer Palette in der Armbeuge wirkte er souverän wie Dali. Er
stand neben dem Podest und pinselte Tamara überall an, vom Hals bis zu
den Zehenspitzen.
    Dann, ganz plötzlich, begann Tamara mit ihren Stabreimen. Die
Kamera fuhr dicht auf ihren Mund, um für den Fernsehzuschauer ihr
verzücktes, perfekt moduliertes Stöhnen einzufangen.
    »Geil glibbert glänzendes Gelb, rau rauscht rasendes Rot,
blasig blubbert blühendes Blau, wild wabert wollüstiges
Violett …«
    »Hat sie das öfters?«, wollte Flora wissen.
    Anton gab keine Antwort, aber seine Kiefer mahlten, als müsste
er einen Ziegelstein kleinkauen. Flora gab dem ihr unerklärlichen Drang
nach, noch Öl ins Feuer zu gießen. »Ich kann mir vorstellen, was die
beiden danach gemacht haben«, sagte sie gehässig. »Ich meine, nachdem
alle weg waren.«
    Schartenbrink kam wieder ins Bild. »So weit also die aktuelle
Performance der beiden jungen Künstler, Tamara Berger und Heiner van
Beck, die, wie wir für AMS exklusiv erfahren durften, auch privat
künftig ein Paar sein wollen. Hören Sie nun zu dieser unerhört
interessanten Kunstrichtung den Kommentar unseres bekannten Experten,
Professor Dr. Schellfisch.«
    Professor Dr. Schellfisch, kahl, triefäugig und griesgrämig,
sah aus wie Homer Simpson, nur ein paar Jahre älter, und er war
offenbar ein Experte ohne Fernseherfahrung. Statt in die Kamera zu
blicken, glotzte er auf das dicke gelbe Mikro wie das Karnickel auf die
Schlange. Außerdem litt er alle drei Sekunden unter nervösen Zuckungen,
mit denen er versuchte, sein nicht mehr vorhandenes Haupthaar über die
Schulter nach hinten zu werfen.
    »Hier sehen wir gewissermaßen die Herauslösung der Kunst aus
der Vereinsamung der Leinwand, den Beginn einer neuen, leichthändigen,
interaktiven Malerei, sich ergebend aus den endlosen körperbedingten
Variationen von Materie und Material. Linien folgen ihrer eigenen
Struktur, entbunden von der Hand des Künstlers, sie bilden eine
Landschaft der Homogenität und Komplexität, in der dem Pinsel keine und
alle Wege vorgegeben sind …«
    »Mir wird gleich übel«, sagte Anton, nahm Flora die
Fernbedienung weg und schaltete aus. Er stand auf, ging zurück zum
Schreibtisch und arbeitete wortlos weiter. Flora holte eine Tüte
Gummibärchen und eine Dose Cola aus der Minibar, machte es sich wieder
auf dem Bett bequem und tat so, als lese sie in dem Eltern-Heft. In
Wahrheit wollte sie sich unterhalten. Und zwar mit Anton. In ihrem
Magen hatte es wieder gekribbelt, als er vorhin neben ihr auf dem Bett
gesessen hatte. Und das, obwohl er wirklich alles andere als frisch
roch. Ob er die ganze Nacht arbeiten wollte? Es war schon fast halb
zwölf, und er

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