Ich schnapp' mir einen Mann
Segeltuchtasche
vor die Füße und nahm ihre Hände. »Flora, bist du sicher, dass ihr das
durchziehen wollt?«
»Ganz sicher.«
»Und Sie? Herr …«
»Anton. Einfach nur Anton und du.«
»Glauben Sie … ähm, glaubst du, dass ihr das schafft?«
»Wenn nicht, haben wir's wenigstens versucht.«
»Da hast du Recht. Passt du auf Flora auf?«
»Anita …«, begann Flora.
»Das tue ich«, fiel Anton ihr ins Wort.
»Dann ist's ja gut.« Anita zog einen Umschlag aus ihrer
Umhängetasche und reichte ihn Flora. »Da, nimm das auch noch.
Vielleicht habt ihr ja Verwendung dafür.«
Flora öffnete den Umschlag. »Pässe? Aber … Das sind
ja eure Ausweise, Anita!«
»Klar. Vielleicht sind sie euch noch nützlich. Tobias und ich
haben sie schon seit Jahren nicht mehr benutzt. Außer vorhin beim
Einchecken im Hotel. Wir kommen bestimmt noch 'ne Weile ohne aus. Ach
ja, bevor ich's vergesse – hier, die Zimmerschlüssel.«
Flora schob den Umschlag in ihre Handtasche und nahm die
beiden Schlüssel entgegen.
Dann wandte sie sich zu Anton. »Würdest du bitte …?«
»Natürlich.« Er zog seine Brieftasche heraus, die dank der
Transaktion mit Spitzzahn bestens bestückt war, und entnahm ihr zwei
Fünfhundertmarkscheine.
Anita zierte sich nicht, sondern steckte das Geld ein.
Schließlich waren sie und Tobias diejenigen, die das Hotelzimmer
bezahlen mussten, sobald Anton und Flora es nicht mehr benötigten.
»Übrigens«, sagte sie verlegen, »ich wusste ja nicht … ich
meine, ich habe ein Doppelzimmer gebucht. Das ist viel billiger als
zwei Einzelzimmer und nicht so verdächtig. Ich meine … Ihr
wisst schon. War doch okay, oder?«
»Kein Problem«, sagte Flora schnell. »Ist schon okay.«
»Überhaupt kein Problem«, bekräftigte Anton. »Ist wirklich
völlig okay.«
War es das? Sie waren beide alles andere als überzeugt davon.
Und das hatte nicht im Geringsten mit den Flöhen zu tun.
»Und denk dran«, sagte Anita unter Tränen, als sie Flora zum
Abschied umarmte, »dass du deine Atemübungen machst, wenn du Stress
hast!«
Tatsächlich war es überraschend leicht, ins
Hotel zu gelangen. Das Schiller war ein Haus der mittleren Kategorie
mit rund dreißig Betten, von denen zurzeit kaum welche belegt waren.
Als Industrie- und Handelsstandort war W. alles andere als eine
Touristenhochburg, und da jetzt, mitten im Sommerloch, weder Messen
noch Kongresse stattfanden, wurde die Hotellerie nur mit mäßigem
Aufwand betrieben.
Den Trabi stellten Anton und Flora in einem benachbarten
Parkhaus ab, und dann wagte Flora als Erste die Invasion, wie sie es
nannte. Auf Antons verständnislosen Blick hin erklärte sie, dass sie
das Ganze unter kriegstaktischen Gesichtspunkten betrachte und
ausgezeichnet damit zurechtkäme. Ohne weitere Kommentare setzte sie
sich Anitas Perücke auf, zog den blauen Mantel über, prüfte ein letztes
Mal im Innenspiegel des Wagens ihr Aussehen und machte sich auf den Weg.
Anton blieb zunächst mit der Segeltuchtasche zwischen den
Füßen an der Straßenecke stehen und beobachtete unter dem Schirm von
Tobias' Mütze hervor, wie sie mit durchgedrücktem Kreuz, fest
umklammerter Handtasche und forschen Schritten im Eingang des Schiller
verschwand.
Nach drei Minuten schaute er sich unauffällig nach allen
Seiten um, ergriff die Tasche und folgte Flora ins Hotel.
Der Nachtportier war tatsächlich in ein Buch vertieft und nahm
nicht die geringste Notiz von Anton, der, schwitzend unter Tobias'
Windjacke und dem Gewicht der Tasche (die durch den Laptop noch mehr
wog als vorher), auf Zehenspitzen an ihm vorbeihuschte und mit mühsam
unterdrücktem Keuchen die Treppe hochhetzte.
»He, Sie!«, rief ihm der Portier unvermittelt mit
durchdringender Stimme hinterher.
Wie vom Blitz getroffen blieb Anton mitten auf dem
Treppenabsatz stehen. Er wagte nicht, sich zu rühren. Er atmete nicht
einmal. Alles war aus! Gleich kommt's, dachte Anton. Er wappnete sich
gegen die Worte der Vernichtung: Ach, übrigens, die Bullen sind schon
auf dem Wege. Geben Sie besser gleich auf.
»Sie können ruhig den Lift nehmen!«, rief der Portier. »Er
geht wieder!«
»Danke«, krächzte Anton.
»Keine Ursache. Sekunde … Warten Sie mal!«
Lieber Gott, dachte Anton. Mach, dass er mich nicht erkannt
hat!
»Ihrer Frau können Sie sagen, dass der Pool morgen ab zehn Uhr
geöffnet ist.«
»Pool«, wiederholte Anton, Halt suchend nach dem Geländer
tastend.
»Ja, im Untergeschoss.« Die dicke Brille des Portiers
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