Ich schnapp' mir einen Mann
Spucke
verspritzend.
»Er ist Schlaganfallpatient«, erklärte Flora vertraulich.
Damit hatte sie, wie Anton sofort schwitzend feststellte,
lediglich erreicht, dass nicht nur der Typ ihnen gegenüber, sondern
auch alle hinter ihnen anstehenden Besucher sie anglotzten.
»Ah ja. Nun, dennoch … Dort drüben, bitte sehr, der
Herr, die Dame.« Der Kontrolleur wies mit dem Finger dezent auf eine
Art Schalter, in dem Schlipse und Fliegen an die weniger modebewussten
männlichen Besucher ausgegeben wurden.
Anton erschlaffte und ließ sich von Flora willenlos zur
Schlipsausgabe zerren, wo sie ihm eine Fliege umband. »Schlips kann ich
leider nicht«, sagte sie bedauernd. »Aber du wirst es mir bestimmt noch
beibringen.«
Er kam nicht dazu, die Bedeutung dieser Ankündigung genaueren
Nachdenkens zu unterziehen, denn Flora zog ihn bereits weiter in
Richtung Spielsäle, zu den Wechselschaltern, wo sie mit ein paar
Scheinen von Spitzzahns BMW-Anzahlung rasch die vorgeschriebene
Mindestmenge von Jetons erwarb.
»Siehst du ihn irgendwo?«, flüsterte sie, in der Menge der
überwiegend elegant gekleideten Kurgäste nach Xavier Ausschau haltend.
»Hrglamps?«
»Du darfst nicht so dabei spucken«, rügte sie. »Das fällt auf!«
Anton warf einen Blick in die Runde, wandte sich kurz und
unauffällig zur Seite und würgte die widerlichen Papierbälle in seine
hohle Hand. Am liebsten hätte er noch ein paarmal ausgespuckt, um den
Geschmack nach Leim und Pappe loszuwerden, doch Flora stieß ihn mit dem
Ellbogen an.
»Da drüben steht er! Er spielt schon!« Panik klang aus ihrer
Stimme. Xavier hatte allem Anschein nach keine Zeit verloren. Er hatte
sich in eine Gruppe edel gewandeter, kiloweise mit Schmuck behängter
und größtenteils ziemlich angejahrter Casinogäste eingereiht, die einen
Roulettetisch mit hohem Limit umstanden.
Flora atmete durch, und ohne einen Blick auf die üppige Pracht
des Spielsaals mit seinen hochpolierten Marmorintarsien und funkelnden
Lüstern zu verschwenden, ging sie zielstrebig auf den Spieltisch zu.
Xavier stand mit dem Rücken zu ihr neben einem älteren Paar. Die Frau
hatte blausilbern gefärbtes, buschig toupiertes Haar und trug fast so
viele Brillanten auf der Brust wie ihr verhutzelter Mann Schuppen auf
den Schultern.
Flora stellte sich an Xaviers andere Seite, ein wenig hinter
ihm, und beobachtete mit Luchsaugen, was er setzte. Sie stöhnte lautlos
auf, als sie sah, was er gerade aufs Spielbrett warf.
»Guck nur!«, zischte sie Anton zu. »Das sind Tausender-Jetons!
Der setzt Tausender! Der Kerl ist ein Zocker! Der wird alles durch den
Schornstein jagen!«
Doch Anton hatte keinen Blick für den Roulettetisch. Er äugte
hektisch in die Runde und beobachtete die Gäste an den übrigen Tischen,
überzeugt, dass alle Leute nur ihn und Flora anschauten. Das ringsum
herrschende Stimmengewirr war nichts anderes als verschwörerisches
Getuschel über den Anwalt und die Mutter!
»Machen Sie bitte Ihr Spiel, meine Damen und Herren«, sagte
der Croupier vom Kopf des Tisches. Mit gelangweilter Routine warf er
die Kugel in den rotierenden Zahlenteller.
»Was hadda gesacht?«, fragte der verhutzelte Alte seine Frau,
die gerade eine Hand voll Tausender auf die Null platzierte.
Flora sah, wie Xavier weitere Jetons auf den Tisch legte.
Stirnrunzelnd wandte sie sich zu Anton um. »Schau dir das an! Anton!
Jetzt guck doch mal hin!«
»Bitte nicht mehr setzen, meine Damen und Herren, nichts geht
mehr!«
»Was hadda gesacht?«, fragte der Alte.
»Riängnewaplüh«, erklärte seine Frau, schnell noch einen
Stapel auf Rot setzend.
»Anton!«, sagte Flora wütend.
»Nicht so laut«, quetschte er zwischen den Zähnen hervor. »Es
sehen sowieso schon zu viele Leute her! Verflixt, kannst du nicht ein
bisschen den Bauch einziehen?«
Doch Flora hatte nur Augen für das Geschehen auf dem
Zahlenfeld.
»Und die vierzehn, meine Damen und Herren!«, rief der Croupier.
Xavier hatte verloren, wie Flora erbleichend feststellte. Aber
dann fiel ihr auf, dass er an anderer Stelle mindestens genauso viel
gewonnen hatte. Der Croupier schob ihm mit seinem Rechen etwa dieselbe
Menge zu, die er woanders einstrich.
Rasch zählte Flora die vor ihm liegenden Jetons. Der Menge
nach zu urteilen, hatte er nur einen Teil des Geldes umgetauscht,
vielleicht höchstens ein Achtel. Der Koffer mit dem übrigen Geld stand
zwischen seinen Füßen auf dem Boden.
Ohne Anton zu beachten, der hinter ihr zappelte wie
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