Ich schnapp' mir einen Mann
kürzer, sondern länger?«
»Ja, wieso? Hat das was zu bedeuten?«
Anita und Tobias tauschten Blicke.
Anton registrierte es stirnrunzelnd. Er ging in die Hocke,
beugte sich dicht über Flora und lauschte ihrem Atem. Sie war tief und
fest eingeschlafen.
Als sie aufwachte, war der Raum um sie herum
mit nächtlichen Schatten erfüllt. Desorientiert, wie sie war, glaubte
sie zunächst, wieder im Hotelbett zu liegen, wie in der letzten Nacht,
als sie mit Antons Hand auf ihrem Bauch erwacht war. Seine Hand lag
wieder auf ihrem Bauch, doch das Bett war ein anderes, wie sie nach
einigen Sekunden gewahr wurde. Und dann, als ihr die Geschehnisse des
vergangenen Abends wieder zu Bewusstsein kamen, senkte sich bleierne
Trostlosigkeit über sie. Anton war wach, sie spürte es an seinem Atem
und der Anspannung in dem Arm, den er um sie gelegt hatte. Als sie sich
vorsichtig regte, zog er sofort seine Hand weg. Flora ergriff sie und
legte sie wieder auf ihren Bauch.
»Jetzt hab ich doch kein Kind gekriegt«, flüsterte sie in die
Dunkelheit.
»Nein. Du bist einfach eingepennt. Wahrscheinlich vor
Erschöpfung.«
»Aber es hat so wehgetan!«
»Es waren wohl Senkwehen, meinte deine Freundin. Falscher
Alarm. Sie sagte, sie hätte das auch schon ein, zwei Mal gehabt.«
Das Kind bewegte sich heftig unter Antons Hand. Er genoss
diese Augenblicke, zum ersten Mal völlig frei von Schuldgefühlen oder
Geheimnistuerei.
»Tut das nicht weh? Ich meine, wenn es so fest tritt?«
»Nein. Es ist ein wundervolles Gefühl.«
Anton legte den anderen Arm auch noch um Flora und hielt sie
umfangen. Sie sagten nichts, waren sich einfach nur ihrer gegenseitigen
Nähe bewusst.
»Wie spät ist es?«, fragte Flora irgendwann.
»Ich weiß nicht. Zwischen zwei und drei, schätze ich.«
»Wir können nicht länger hier bleiben. Ich meine, es war ja
falscher Alarm, und wir sollten Anita und Tobias nicht so tief mit
reinziehen. Sie werden schrecklichen Ärger kriegen, wenn rauskommt,
dass wir hier bei ihnen sind.«
»Nein«, sagte Anton. »Wir bleiben hier. Morgen Früh stellen
wir uns der Polizei.«
»Anton!«, rief Flora erschrocken.
»Ich hab lange darüber nachgedacht. Für dich und das Baby ist
es das Beste.«
Wie betäubt hörte Flora ihm zu. »Ich hab alles verdorben«,
sagte sie mit kaum hörbarer Stimme.
»Unsinn«, wehrte er ab. »Das hat gar nichts mit dem zu tun,
was gestern im Casino passiert ist.«
»Wir waren so dicht dran!« Flora hatte Mühe, nicht zu weinen.
»Um ein Haar hätten wir ihn gehabt! Aber jetzt weiß er Bescheid! Jetzt
werden wir nie nachweisen können, dass er dich zu Unrecht belastet!
Alles ist nur meine Schuld!«
»Vergiss Xavier«, sagte Anton sanft, aber bestimmt. »Er wird
sich bestimmt nicht noch mal mit dem Geld in der Hand erwischen lassen.
So oder so. Es ist vorbei.«
Flora fasste seine Hand fester.
»Ich werde niemals ins Gefängnis gehen, Anton. Nie. Ich kann
es einfach nicht. Das würde ich nicht durchstehen. Ich würde sterben,
glaub mir.«
Er wünschte, er hätte ihr nie davon erzählt. Dabei hatte er
die schlimmsten Dinge noch ausgespart. Viele Leute glaubten heutzutage,
es sei ein Spaziergang, in Haft zu sitzen, doch das war es nicht. Der
Knast hatte viele grausame Gesichter, und Anton hatte nicht wenige
davon gesehen.
»Mein Schriftsatz ist so gut wie fertig, Flora. Ich habe bis
vorhin daran gearbeitet. Ich werde sofortige Haftverschonung für dich
beantragen. Soweit ein Haftbefehl ergangen ist, wird er in jedem Fall
außer Vollzug gesetzt. Kein Richter der Welt würde dir das in deinem
Zustand versagen. Und später … Bis dahin habe ich mir was
ausgedacht. Vertrau mir einfach, Flora.«
»Ich vertrau dir ja«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Aber
du … Du wirst auf jeden Fall in den Knast müssen. Sie werden
dich in Untersuchungshaft stecken, nicht wahr?«
Anton gab darauf keine Antwort, und Flora wusste, was das
bedeutete. Für sie gab es nicht den geringsten Zweifel: Solange sie
weder das Geld noch Beweise für Xaviers Unterschlagung beschaffen
konnten, würde Anton als der vermeintlich Schuldige brummen müssen.
»Erzähl mir was über dich«, sagte er unvermittelt.
»Wie bitte?« Flora war erstaunt über den plötzlichen
Themawechsel.
»Ich möchte mehr über dich wissen. Über deine Kindheit, deine
Familie, deinen ganzen Werdegang. Ich brauch das für deine
Verteidigung.«
Flora spürte eine vage Enttäuschung. »Ach so. Da gibt's aber
nicht viel zu erzählen.«
»Fang
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