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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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zuständigen Haftrichter auf freien Fuß gesetzt
würde, ohne auch nur eine einzige Stunde in U-Haft zubringen zu müssen.
    »Was ist das denn?«, rief Anton fassungslos aus.
    Flora entriss ihm das Fernglas. »Lass mich auch mal!«
    »Nicht nötig. Xavier ist gerade eben aus der Bank gekommen.
Aus. Das war's.«
    Erbittert schlug Anton mit der Faust aufs Lenkrad und fuhr zu
Tode erschrocken zusammen, als die Hupe des Trabi mit einem
schmetternden Dreiklang die Umgebung aufmischte. Ein älterer Mann, der
gerade an dem Gemüseladen vorbeikam, geriet vor Schreck ins Taumeln und
schüttelte drohend seinen Spazierstock in ihre Richtung.
    Flora starrte durch das Fernglas. »Er hat den Koffer dabei.
Aber wieso kommt er jetzt schon raus? Die Frau ist doch noch drin!
Warum geht er denn vor ihr? Er geht doch immer zuletzt! Das hat er
selbst gesagt! Im Fernsehen!«
    »Da wird heutzutage doch sowieso nur noch gelogen.«
    Flora beobachtete, wie Xavier zu seinem Wagen ging, einem
grünen Audi, der auf dem zur Bank gehörenden Parkplatz abgestellt war.
    »Jetzt steigt er ein«, sagte sie. »Los, mach was!«
    »Was denn?«
    »Fahr hinterher.«
    »Wozu?«
    »Na, um es durchzuziehen, deshalb!«
    »Wir waren uns aber einig, dass es bei ihm zu Hause nicht
geht«, widersetzte Anton sich. »Seine Mutter ist doch da.«
    »Vielleicht können wir ihn irgendwie unterwegs zu fassen
kriegen.«
    »Lass es uns lieber morgen noch mal probieren«, schlug Anton
vor.
    »Morgen ist Samstag. Da ist die Bank geschlossen. Das heißt,
wir müssten von jetzt an ganze drei Tage warten.« Sie führte nicht
näher aus, was in diesen drei Tagen alles passieren konnte, doch das
war auch gar nicht nötig. Anton hatte in dem Eltern-Heft geblättert und
neben einigen weiteren, hochinteressanten Einzelheiten erfahren, dass
mindestens ein Viertel aller Babys bis zu zehn Tagen vor dem
errechneten Termin auf die Welt kommen.
    »Komm, Anton! Lass es uns wenigstens versuchen! Mach schon,
fahr ihm nach!«
    Anton gehorchte wider besseres Wissen, doch die
Verfolgungsjagd ließ sich alles andere als rasant an. Unseligerweise
streikte wieder einmal die Zündung. Obwohl Anton inzwischen eine eigene
Anlasstechnik entwickelt hatte, ging es selten unter drei Versuchen ab.
    »Jetzt fahr doch endlich!«, sagte Flora aufgeregt. »Ich hab
das Gefühl, der will gar nicht nach Hause! Er ist gerade in ganz
anderer Richtung abgebogen!«
    »Ich tu ja, was ich kann«, erklärte Anton verärgert. Der Trabi
heulte wie ein erstickendes Rhinozeros. Es schien eine halbe Ewigkeit
zu dauern, bis sich der Wagen endlich tuckernd und rumpelnd in Bewegung
setzte, und Flora seufzte laut auf vor Erleichterung, als sie um die
Ecke bogen und den grünen Audi an der nächsten Kreuzung vor einer roten
Ampel stehen sahen. Sie schlossen auf, und danach hatte Anton keine
Probleme mehr, Xavier in unverdächtigem Abstand zu folgen. Ihr
Zielobjekt richtete sich brav nach den vorgegebenen Geschwindigkeiten,
auch als sie die Stadt verließen. Der grüne Audi blieb auf der
Landstraße und fuhr in Richtung Bad M. und der knatternde Trabi blieb
immer gut zweihundert Meter dahinter, ohne dass es Xavier auffiel.
    »Vielleicht will er jemanden besuchen?«, mutmaßte Flora, als
sie das Ortseingangsschild der eleganten kleinen Kurstadt passierten.
    »Das werden wir gleich wissen. Da vorn biegt er ab. In
Richtung Thermalbad.«
    »Ob der schwimmen gehen will?«
    »Willst du darauf wirklich eine Antwort hören?«, fragte Anton
entnervt.
    »Nein, die Frage war eher rhetorisch gemeint«, sagte Flora,
mindestens genauso entnervt. »Warte!«, schrie sie unvermittelt und
legte erschrocken die Hand auf Antons Knie, womit sie jedoch keineswegs
die erwünschte Wirkung erzielte, sondern genau das Gegenteil. Antons
Fuß auf dem Gaspedal zuckte, der Trabi röhrte auf und tat einen Satz
nach vorn. Nur um Haaresbreite entgingen sie der Kollision mit einem
Grüppchen lustwandelnder Kurgäste. Während Anton noch darum kämpfte,
den bockenden und schlingernden Wagen wieder unter Kontrolle zu
bringen, schrie Flora ihm direkt ins Ohr: »Du, der hält da vorn! Da
drüben, direkt vor dem … Nein. Das ist nicht wahr! Das kann er
doch nicht machen!«
    »Bitte …«, keuchte Anton, den Trabi hart am Bordstein
vorbeischrammend. Er wusste selbst nicht genau, worum er bat;
vielleicht einfach bloß um ein bisschen Frieden. Seine Herzkranzgefäße
würden ihm diese Art von Dauerstress in ein paar Jahren sehr, sehr übel
nehmen. Er war sicher,

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