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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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der
Begriff Rotlichtbezirk stammte. In dem Lokal stank es unbeschreiblich
nach abgestandenem Qualm, alten Körperausdünstungen, muffigem Vinyl und
anderen Dingen, über die Flora sich weigerte nachzudenken. Als sie
weiter in Richtung Theke geleitet wurde, sah sie auf einem der
Plastiksofas ein schlafendes blondes Mädchen liegen, das kaum älter als
achtzehn sein konnte. Außer einem Paar spitzenbesetzter roter Strapse
trug sie nicht den geringsten Faden am Leib. Flora schluckte und
wendete ihre Blicke woanders hin. An einem der Tische saß ein Mann, der
vom Typ her ein Bruder der beiden anderen hätte sein können, nur, dass
er wesentlich kleiner war. Da er saß, konnte Flora es nicht mit letzter
Sicherheit beurteilen, doch sie hätte schwören können, dass er
höchstens achtzig Zentimeter groß war. Flora nickte ihm freundlich
lächelnd zu, doch der Liliputaner verzog keine Miene. Er förderte ein
blinkendes Stilett zu Tage, fast so groß wie er selbst, und begann
damit gleichmütig seine Fingernägel zu reinigen.
    Schaudernd wandte Flora sich ab. Inzwischen ließ sie sich mehr
schleifen, als dass sie selbst ging. Nie hätte sie sich träumen lassen,
dass die Realität in jeder Beziehung um so vieles detailfreudiger sein
könnte als ihre Fantasie. Alles in allem war es fast zu viel, um noch
echt zu wirken. Hätte sie die Szenerie so beschrieben, wie sie wirklich
war – kein Mensch hätte solche Klischees noch ernst genommen!
    Das Letzte, was sie im Schankraum zu sehen bekam, bevor die
beiden Riesen sie durch eine Tür neben der Theke schoben, war der
Barkeeper, der mit einem karierten Geschirrtuch den Schalldämpfer einer
gewaltigen Pistole polierte.

Nichts
für schwache Nerven
    M oment«, sagte Anton und ließ den Cursor
zur nächsten Seite hüpfen. Er dachte gar nicht daran, vor seinen
Gastgebern Florindas elegische Abhandlungen über irgendwelche Dächer
und Symphonien auszubreiten. »Ab hier kommen wir der Sache näher, glaub
ich.«
    »Lies aber laut vor«, verlangte Anita.
    »Warte. Das könnte was sein: Das Herz zersprang ihr
beinahe vor Angst, und dennoch wusste sie tief in ihrem Inneren, dass
es keinen anderen Weg gab, um Antonios Ehre zu retten und das Maß ihrer
Schuld zu begrenzen. Diesen Weg musste sie allein gehen, ganz allein,
und er führte sie tief hinab in die Niederungen eiskalter Furcht, wo
sie den Bann lähmender Angst spürte …«
    Anton hielt inne und schüttelte den Kopf. »Synonyme«, murmelte
er. »Ich frag mich, ob sie die Thesaurus-Funktion bei den Extras schon
gefunden hat. Das muss ein wahres Fest für sie sein.«
    »Was könnte das bedeuten?«, rätselte Tobias. »Was kann sie
meinen mit Thesaurus? Irgendein geheimer Code?«
    Anton blickte stirnrunzelnd auf. »Wie? Oh, das bedeutet gar
nichts. Das zuletzt hat sie nicht geschrieben. Ich hab nur laut
gedacht.«
    »Du solltest besser laut lesen«, sagte Anita ungeduldig.
    »Okay. So geht's weiter. Florinda hatte bereits viel
vom Don gehört, jenem Mann, den sie auch den einäugigen Bastard
nannten, doch nichts hatte sie auf die unvorstellbare Verderbtheit
seiner Umgebung vorbereitet.«
    Er starrte den letzten Satz an.
    »Weiter«, bat Tobias.
    »Es geht nicht weiter. Hier ist Schluss.«
    »Aber dem ganzen Unfug kann man doch überhaupt keine
Anhaltspunkte entnehmen«, rief Anita enttäuscht.
    »Sekunde«, sagte Anton. »Don … Don? Einäugiger
Bastard …« Tief innen rührte sich etwas in ihm, doch es wollte
nicht heraus. »Einäugiger Bastard, einäugiger Bastard … Nie
gehört. Verdammt noch mal, nie weiß man bei ihr, was echt ist und was
Fantasie!«
    »Das konnte sie schon in der Schule nicht auseinander halten«,
pflichtete Anita ihm bei. »Als wir einen Erlebnisbericht über unsere
großen Ferien schreiben sollten, erzählte ich über meinen Besuch im Zoo
und sie von ihrer Forschungsexpedition in die Antarktis. Und der Witz
war, ihre Geschichte war viel besser als meine.«
    »Bastard«, murmelte Anton. »Einäugig … einäugig.
Himmel noch mal, wer könnte das sein?« Er drückte die Handballen gegen
die Stirn, als könnte er die Lösung aus seinem Kopf herauspressen.
Diese Sache war wirklich nichts für schwache Nerven!
    »Vielleicht ein geheimer Code«, sagte Tobias.
    »Scheißgeheimcode«, schimpfte Anita.
    »Sei doch mal ruhig, Schatz, er kann doch sonst nicht
nachdenken!«
    Anton starrte die Worte auf dem Display an, ohne etwas zu
sehen.
    »Nein«, hauchte er, heiser vor Entsetzen. »Lieber Gott, nein!
Nur das

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