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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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erneut über die Dächer, für eine letzte
Eingebung.
    In diesem Augenblick ging die Sonne auf, mit ihrem
ewigen Feuer. Ihr Elixier aus Licht über die Welt verströmend, gab sie
Florinda alle Gewissheit, die sie noch brauchte.
    Flora las die letzten Absätze durch und fing an zu heulen,
weil es so unsagbar gut war. Vielleicht ein paar Synonyme zu viel, aber
darum würde sie sich später kümmern. Ansonsten hatte sie nichts
auszusetzen. Sie war an der klassischen Wende vor Beginn des dritten
und letzten Akts angelangt, beim unausweichlichen Loch tiefschwarzer
Verzweiflung, in das jeder Held an dieser Stelle fallen musste, bevor
er sich zu seinem letzten großen Kampf aufmachte. Florinda würde bis
zum Ende noch einige Federn lassen müssen, doch ihr Weg war jetzt klar.
Sie hatte sich entschieden, es mit dem Don aufzunehmen. Alles trieb nun
unumkehrbar auf diese letzte große Schlacht zu, aus der nur einer von
beiden als Sieger hervorgehen konnte.
    Flora schrieb noch ein paar Sätze vom nächsten Kapitel, dann
speicherte sie alles ab und klappte das Gerät zu. Wenig später verließ
sie leise das Zimmer.
    Anton erwachte nur langsam, mit beiden
Händen etwas umklammernd, das ihm unaussprechlich verheißungsvoll
erschien, wie der Inbegriff all dessen, was er sich je in seinem Leben
ersehnt hatte. Er war über die Maßen erfüllt von Hoffnung und tiefem
Frieden. Als er Augenblicke später vollständig zu sich kam,
identifizierte er zu seiner Ernüchterung den beglückenden Gegenstand in
seinen Armen als Kissen (wenn auch als besonders großes und weiches).
Das trügerische Wohlbehagen, das ihn beflügelte, war nichts weiter als
die tröstliche Gewissheit des Verurteilten, die Exekution bald hinter
sich zu haben.
    »Flora?«, fragte er schlaftrunken.
    Keine Antwort. Ein rascher Rundblick belehrte ihn, dass sie
nicht im Zimmer war. Ihre Schuhe, die er ihr gestern Abend ausgezogen
hatte, standen nicht mehr vor dem Bettsofa, wo er sie abgestellt hatte.
Und der blaue Mantel, der dort drüben über der Sessellehne gelegen
hatte, war auch weg. Ebenso wie ihre Handtasche, die er auf den
Beistelltisch gelegt hatte. Alles, was noch von ihrer Anwesenheit in
der letzten Nacht kündete, war die verstrubbelte Perücke, die über dem
Ast einer Zimmerlinde hing.
    Anton kämpfte sich aus den Kissen hoch. Kein Grund zur Unruhe,
sagte er sich. Sie war nur mal eben für kleine Mädchen. Oder saß mit
Anita in der Küche beim Kaffee. Schließlich war es schon – er
sah rasch auf seine Uhr – halb zehn! Anton stieß einen
schwachen Laut des Entsetzens aus. Es war halb zehn, und er hatte
rettungslos verschlafen! Um diese Zeit hatte er schon in einem Büro der
Staatsanwaltschaft sitzen wollen, zusammen mit seiner perfekt
gelungenen Verteidigungsschrift, die er dem Dienst habenden
Oberstaatsanwalt, am besten in Gegenwart des Haftrichters, persönlich
hatte vortragen wollen!
    Er rannte in Boxershorts und T-Shirt (beides von Tobias und
daher etwas zu knapp) aus dem Zimmer, durch die kleine Diele.
    »Flora?«, rief er, heftig die Tür zur Küche aufstoßend.
    Am Küchentisch saßen Tobias und Anita und tranken Kaffee.
Genau die Szenerie, die Anton sich ausgemalt hatte. Bis auf den
Umstand, dass Flora fehlte.
    »Wo ist sie?«, platzte er ohne Einleitung heraus.
    »Wer? Flora?«, fragte Anita.
    »Natürlich Flora! Wer sonst!«
    »Ist sie nicht im Bett?«, fragte Tobias dämlicherweise.
    »Nein«, erwiderte Anton ungeduldig. »Von da komm ich doch
gerade. Ist sie vielleicht im Badezimmer?«
    »Nein«, sagte Anita. »Von da komm ich gerade.«
    »Im Schlafzimmer?«, fragte Anton hoffnungsvoll.
    Tobias schüttelte den Kopf. »Von da komm ich gerade.
Und mehr Zimmer haben wir leider nicht.«
    Anita starrte Anton an. »Wir dachten, ihr schlaft noch.«
    »Ich hab ja auch noch geschlafen!«, rief Anton ungeduldig.
»Aber Flora nicht!«
    »Wo kann sie denn sein?«, wollte Anita höchst beunruhigt
wissen.
    »Das frag ich euch ja gerade!«
    Anton schloss die Augen und presste die Fingerspitzen an die
Schläfen. »Himmel noch mal! Ich fühle es in allen Knochen!«
    »Grippe?«, fragte Tobias mitfühlend. »Fängt bei mir auch immer
mit Kopf- und Gliederschmerzen an.«
    »Nicht Grippe. Flora. Ich fühle, dass sie wieder irgendeinen
grässlichen Plan ausgeheckt hat!«
    Anita stand auf und drückte ihm eine Tasse dampfenden Kaffee
in die Hand. »Hier, trink erst mal. Das hilft beim Denken. Was für
einen Plan?«
    Anton trank und verbrannte sich die Zunge. Er

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