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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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spuckte den
Kaffee zurück in die Tasse und fluchte unterdrückt. »Mist! Verzeihung.«
    »Aber was kann sie denn vorhaben?«, rief Anita.
    »Eine Art Himmelfahrtskommando, wie ich sie einschätze.«
    »Eine Frau, die so kurz vor der Niederkunft steht wie sie,
wird sicherlich nicht …« hob Tobias belehrend an.
    »Ihr kennt sie nicht«, unterbrach Anton ihn. »Nicht so, wie
ich sie kenne. Entschuldigt mich einen Moment. Im Augenblick fällt mir
nur ein Ort ein, wo ich mit der Suche nach ihr anfangen könnte.«
    Flora marschierte zu allem entschlossen
durch eine Gegend von sehr zweifelhaftem Ruf. Sie bewegte sich
unaufhaltsam auf ein Etablissement zu, dessen Ruf nicht nur
zweifelhaft, sondern fürchterlich war. Es trug den aussagekräftigen
Namen ›Zum Wilden Weib‹ und galt als Zentrum und Ränkeschmiede etlicher
krimineller Aktivitäten. Flora kam nicht unangemeldet. In einem vor
einer Stunde von einer Telefonzelle aus geführten Gespräch hatte sie
einen Termin erhalten, von dem sie sich viel versprach. Nein, das traf
es nicht. Sie versprach sich alles davon.
    Die Zeit davor hatte sie mit einer ausgedehnten Wanderung
durch einen Park in der Nähe verbracht und dabei die fünf Brötchen
verzehrt, die sie in aller Herrgottsfrühe beim Bäcker erstanden hatte.
Dafür und für den Bus hatte sie sich bei Anton Geld geborgt. In seiner
Brieftasche lag ein Zettel mit einer Notiz: Habe mir 10 Mark geliehen.
Wollte dich nicht wecken. Flora.
    Sie hatte lange überlegt, ob das nicht zu kühl klang, zu wenig
privat, und sie hatte mit dem Gedanken gespielt, zusätzlich noch Hoffe,
du bist mir nicht böse oder Hoffe, du hast nichts
dagegen hinzuschreiben. Oder statt Flora am
Schluss wenigstens Alles Liebe, Flora, oder
schlicht Deine Flora. Aber das war ihr dann zu
aufgesetzt erschienen. Schließlich gehörte sie nicht zu ihm, höchstens
in beruflicher Hinsicht; doch etwas so abgrundtief Blödes wie Deine
Mandantin Flora konnte sie selbstverständlich nicht
schreiben.
    Während Flora sich dem Wilden Weib näherte, schaute sie weder
nach rechts noch links, um nicht etwaigen neugierigen Blicken von
Bordsteinschwalben, Freiern und Zuhältern zu begegnen, die um diese
Zeit schon vereinzelt unterwegs waren. Sie sagte sich, dass sie sich
kleinlich verhielt und dass vor allem diese Art von Scheu für ihr
Fortkommen als Schriftstellerin eher kontraproduktiv sei (Erfahrungen
sparen Recherchen!), doch sie brachte es nicht über sich, bis zum
Erreichen ihres Zieles das Milieu zu studieren. Stattdessen atmete sie
erleichtert auf, als sie die Nachtbar endlich vor sich hatte.
    Unter dem Schriftzug Zum Wilden Weib prangten diverse
Fassadenmalereien von zwei kaum bekleideten Frauen mit sensationeller
anatomischer Ausstattung. Ihr Atombusen sprengte alle textilen Fesseln,
und die Wespentaillen waren so dünn, dass man sie mit Daumen und
Zeigefinger einer Hand umfassen konnte. Neben der Blondine stand der
Name Janine, die Rothaarige hieß Nadine. Sehr einfallsreich, dachte
Flora.
    Ein Schild an der Tür verkündete außerdem, dass Janine und
Nadine diesen Monat in wöchentlichem Wechsel auftraten und dass am
nächsten Samstag eine Gemeinschaftsvorstellung der beiden mit zwei
scharfen Boys stattfand.
    Dir fallen die Augen raus, stand als
zusätzliche Aufmunterung für potenzielle Besucher auf dem Schild.
    Flora klopfte zaghaft an die Tür aus solidem Stahl, wartete
eine Weile, klopfte erneut und drückte dann, als sich eine Minute
später immer noch nichts geregt hatte, vorsichtig die Klinke nieder.
    Sie landete in einer Art Vestibül mit schummriger Beleuchtung
und einschlägigen Plakaten an den Wänden, doch bevor sie dazu kam, sich
nähere Einzelheiten über die Neuzugänge Coco, wild und
geschmeidig und Caro , lüstern
und biegsam anzusehen, tauchten wie aus dem Nichts rechts
und links von Flora zwei hünenhafte Typen mit Blumenkohlohren und
Boxernasen auf, die zu ihren Maßanzügen trotz der miserablen
Innenbeleuchtung schwarze Sonnenbrillen trugen. Von jedem der beiden an
einem Ellbogen untergefasst, wurde Flora ohne Erklärungen in die
eigentliche Nachtbar eskortiert, ein fensterloser, rötlich
ausgeleuchteter großer Raum, dessen Stirnseite von einer stark
verkratzten Teakholzbar beherrscht wurde. Gruppiert um ein erhöhtes
Podium standen außerdem etliche runde Tischchen mit vinylüberzogenen
Sofas und Sesseln, alles im selben schwülroten Farbton gehalten wie die
Lampenschirme. Flora bekam eine ungefähre Vorstellung davon, woher

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