Ich schnapp' mir einen Mann
lachte, bis ihr die Tränen
kamen. Anton betrachtete sie fasziniert. Wenn sie lachte, veränderte
sich ihr ganzes Gesicht. Aus dem Engel wurde ein verschmitzter Puck mit
tiefen, schelmischen Grübchen und mutwillig funkelnden Augen.
Er räusperte sich, um die plötzliche Enge in der Kehle
loszuwerden. »Komm, wir müssen los.«
Mit ihrer Heiterkeit war es abrupt vorbei. Sie nickte ergeben
und streckte die Hand zum Nachttisch aus, wo die Perücke lag, die sie
zum Turnen abgenommen hatte.
»Na gut«, seufzte sie. »Dann also auf ein Neues.«
»Da sieht man wieder mal den Unterschied
zwischen Stümperei und Professionalismus.« Tamara knipste den winzigen
Fernseher aus, der mit herausgezogener Zimmerantenne wie ein silbriges,
seltsam kubisches Insekt mit langen Fühlern zu ihren Füßen stand, eine
Neuanschaffung, die zusammen mit dem Sofa aufgetaucht war und die es
Heiner ermöglichte, auch bei wichtigen Fußballspielen weiterzumalen.
Tamara hockte im Schneidersitz auf dem blauen Sofa, ihre
nackten Brüste der Sonne entgegengereckt, die in warmer Fülle durch die
geborstene Glasfront hereinströmte. »Sie hätten den Fuß reinkriegen
können. Ohne weiteres. So wie wir. Wobei ich ihnen nicht mal
unterstellen will, dass sie es nicht besser könnten. Wenn sie wollten.«
Sie hob genießerisch die Arme und verschränkte die Hände hinterm Kopf,
um der Sonne so viel Haut wie möglich darzubieten, »ich glaube, dass
das überhaupt der springende Punkt ist. Es zu wollen.«
»Wollen und können ist zweierlei«, ließ Heiner einen
Gemeinplatz vom Stapel. Er war nicht in der Stimmung, tief schürfende
Gespräche zu führen, zumindest so lange nicht, wie er die
Schattierungen dieser Kobalttönung nicht bis zu seiner absoluten
Zufriedenheit auf die Leinwand praktiziert hatte. Tamara hatte bislang
kaum Interesse für das Portrait gezeigt, das er von ihr malte, obwohl
sie oft genug Gelegenheit gehabt hätte, es zu kritisieren. Diese
Indifferenz, diese vollständige Abwesenheit von Anteilnahme an dem
Warum seiner Bilder liebte er wirklich an ihr, wenn er auch sonst nicht
recht wusste, warum er überhaupt in sie verknallt war. Ihr Gleichmut,
was seine Gemälde betraf, machte sie für ihn zu einer immer währenden
Quelle der Anziehung, ohne dass er in der Lage gewesen wäre, diese
besondere Affinität zu ergründen – hätte doch jemand, der
andere Standpunkte vertrat, ihre Haltung womöglich als Ignoranz
bezeichnet. Doch davon war Heiner weit entfernt. Sie war, da sie nicht
mit Inhalten beeindruckt werden musste, für ihn der ideale Ruhe- und
Fluchtpunkt, wie das Auge in einem Orkan. Er konnte sein, was er
wollte. Inspiriert, einfallslos, erhaben, miserabel. Sie legte ihn
nicht fest und schuf mit ihrer freundlichen Gleichgültigkeit genau die
Atmosphäre, in der seine Gemälde ohne unzuträgliche Einflussnahme
gediehen.
Flora hingegen hatte um seine Bilder immer großes Aufhebens
gemacht, sich ihnen auf ihre verkrampft-wohlwollende Art genähert, sie
begutachtet, interpretiert, analysiert und schließlich, zumindest für
sich persönlich, verworfen. So Leid es ihr auch jedesmal tat –
es war immer dasselbe gewesen. Sie mochte seine Werke einfach nicht und
war trotz aller Anstrengungen nicht in der Lage, das zu verbergen.
Natürlich hätte sie es Heiner gegenüber nie offen zugegeben. Seine
Bilder sagten ihr zwar nichts, doch wie hatte sie sich Mühe gegeben,
das zu ändern, und, als ihr dies nicht gelang, ihn ihre Abneigung gegen
seine Art der Malerei wenigstens nicht merken zu lassen!
Tamara war da ganz anders. Seine Bilder waren ihr scheißegal
und sie machte keinen Hehl daraus. Umso entzückter reagierte sie auf
alle Spaßaspekte seiner Kunst. Bodypainting war absolut ihr Ding. Der
Pinsel auf der Haut, die kühle Farbe überall. Und natürlich das
Terpentin. Der wahre Knaller in ihren Augen war allerdings das, was
sich aus seinen Bildern und ihren gemeinsamen Performances PR-mäßig
rausholen ließ. In dieser Beziehung war sie nicht zu bremsen. Die
nächsten drei Wochen waren sie terminlich ausgebucht. Die Fernsehrechte
waren bei zwei Sendern unter Dach und Fach. Drei namhafte Illustrierte
hatten Interesse bekundet, eine davon hatte bereits wegen einer
Homestory nachgefragt. Ein Museum (!) hatte zwei seiner Bilder gekauft.
Tamara hatte den Kurator in Heiners Beisein nackt bis auf ein paar
bunte Farbstreifen im Atelier empfangen und die Preise diktiert.
Heiner hatte angesichts dieser beunruhigend schnellen
Entwicklung
Weitere Kostenlose Bücher