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Ich schreib dir morgen wieder

Titel: Ich schreib dir morgen wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Ahern
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Fenster stand sperrangelweit offen, und für meine gespitzten Ohren waren die Stimmen aus der Ferne so laut, dass ich sicher war, meine Absicht hinauszuklettern müsste für jeden offensichtlich sein.
    Mein Herz klopfte wie verrückt, als die Person in mein Zimmer trat. Die Dielen knarrten, immer näher kamen die Schritte. Es war Rosaleen, kein Zweifel, ich erkannte es an ihrem angehaltenen Atem und ihrem Geruch. Dann hörte das Knarren auf, und ich wusste, dass sie vor meinem Bett stehen geblieben war. Und mich beobachtete.
    Ich musste mich anstrengen, die Augen geschlossen zu halten. Verzweifelt versuchte ich, die Lider zu entspannen, die Augäpfel nicht zu viel zu bewegen, ruhig und tief zu atmen, um zu zeigen, dass ich fest schlief. Ich spürte, wie sich jemand über mich beugte und war kurz davor aufzuspringen, als ich hörte, wie das Fenster geschlossen wurde, und mir klar wurde, dass sie sich über mich gebeugt hatte, um an den Griff zu kommen. Kurz überlegte ich, die Augen aufzureißen und ihr eine Szene zu machen, weil sie sich in mein Zimmer geschlichen hatte. Aber was würde mir das bringen?
    »Rosaleen!«, hörte ich jemanden von der Zimmertür her flüstern. »Was machst du denn da?«
    »Ich wollte mich nur vergewissern, dass mit ihr alles in Ordnung ist.«
    »Natürlich ist mit ihr alles in Ordnung. Sie ist doch kein Baby mehr. Komm zurück ins Bett.«
    Dann fühlte ich eine Hand auf meiner Wange, Finger, die mir die Haare hinter die Ohren strichen, genau wie meine Mutter es früher immer getan hatte. Ich machte mich darauf gefasst, dass die Decke weggezogen und meine Ausreißermontur enthüllt wurde, aber stattdessen spürte ich Rosaleens Atem an meinem Gesicht, ihre Lippen, die einen sanften Kuss auf meine Stirn hauchten, und dann war sie weg. Die Tür schloss sich wieder.
    Sie ist doch kein Baby mehr.
    Nachdem sie weg war, wartete ich, bis Arthur wieder zu schnarchen begann. Dann stand ich auf, schob das Fenster wieder hoch, kletterte hinaus, sprang ab und landete weich auf der Schieferwölbung des Verandadachs. Erst als ich unten auf der Wiese stand und zum Haus hinaufblickte – zu meinem Zimmer und dem Fenster, das ich ordentlich wieder geschlossen hatte –, verstand ich den Hinweis an mich selbst, dass ich das Fenster besser hätte offen lassen sollen.
    Aber ich drehte mich entschlossen um und machte mich im Schein meiner Taschenlampe auf den Weg zum Schloss, immer dem Klang der Stimmen nach. Ich konnte nur etwa einen Meter weit sehen, der Rest der Welt war in einem schwarzen Loch versunken. Bei Nacht schienen die Bäume noch geheimnisvoller, und das Raunen der Blätter klang, als teilten sie einander Dinge mit, von denen ich nichts wissen durfte. Je näher ich dem Schloss kam, desto lauter wurden die Stimmen, ich roch Rauch, hörte Musik und Gläserklirren. Licht strömte aus der Eingangshalle und dem Raum mit den intakten Fenstern rechts davon. Sicherheitshalber schaltete ich die Taschenlampe aus und schlich zur Rückseite des alten Gemäuers. Dabei kam ich an zwei Räumen vorbei, von denen man bestimmt einen großartigen Blick über den See und die Treppe hatte, die zu ihm hinunterführte. Schließlich kam ich zu dem Fensterzimmer, aus dem ich neulich geklettert war, blieb stehen und lauschte.
    Ein Nachtlicht in Form gelber Sterne kreiste über die alten Wände, und da der Raum leer zu sein schien, beugte ich mich durchs Fenster hinein und sah es mir an, auch wenn die echten Sterne, die man durch das gegenüberliegende Fenster sah, eigentlich viel eindrücklicher waren. Auf einmal hörte ich ein leises Geräusch, wie von einem leidenschaftlichen Kuss, unmittelbar gefolgt von einem schrillen Schrei.
    Dann hörte ich schnelle Schritte, eine Stimme, die Ruhe befahl, schließlich das Scheppern umfallender Dosen und Flaschen. Und aufgeregtes Geflüster. Ehe ich Zeit hatte zu reagieren, fühlte ich eine Hand in den Haaren, jemand packte mich am Schlafittchen, und ich wurde zum Schloss geschleift.
    »Hey, loslassen!«, schimpfte ich und trat um mich. »Nimm deine blöden Hände weg.«
    Erbittert schlug ich um mich und versuchte, mich von den Händen, die jetzt meine Taille umklammerten und eindeutig einem Mann gehörten, zu befreien. Leider ohne Erfolg. Zum ersten Mal war ich Rosaleen dankbar für die kohlehydratreiche Ernährung und die zusätzlichen Pfunde, die ich seit meiner Ankunft zugelegt hatte, sonst hätte mich der Kerl wahrscheinlich wie einen Sack über die Schulter geworfen. So musste

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