Ich schreib dir morgen wieder
erwähnt«, zischte sie zurück.
»Und?«
»Sie hat getan, als wüsste sie nichts von ihr. Wenn Tamara ihr begegnet wäre, hätte sie mir das bestimmt erzählt. So etwas behält Schwester Ignatius nicht für sich, dafür ist sie nicht der Typ. Und warum sollte sie auch?«
»Und was willst du damit andeuten? Dass Tamara lügt?«
Mir fiel fast die Kinnlade herunter, und um ein Haar wäre ich wutentbrannt zurück in die Küche gestürzt, aber Rosaleens nächster Satz hielt mich auf.
»Natürlich lügt sie. Sie ist genau wie ihre Mutter.«
Ein langes Schweigen trat ein. Arthur antwortete nicht.
Kapitel 13
Spektakel im Schloss
Ich lag im Bett und versuchte, Rosaleens Worte zu verdrängen, aber sie gingen mir einfach nicht aus dem Kopf, sondern wiederholten sich penetrant wie eine kaputte Schallplatte. Es gab eine Vergangenheit, von der ich nichts wusste, so viel war sicher, aber im Moment konnte ich nichts tun, um herauszufinden, was passiert war und was Rosaleen gemeint haben könnte. Gestern war vorbei, ein versiegeltes Buch, aber morgen stand buchstäblich auf einem anderen Blatt. Immer wieder las ich mir den Tagebucheintrag für den nächsten Tag durch und wurde ganz aufgeregt. Eine Unmenge Vorbereitung war erforderlich. So lag ich im Bett, versuchte zu planen, was ich morgen in meiner begrenzten Zeit tun musste – ich wusste ja, dass Rosaleen und Arthur Punkt ein Uhr zurückkommen würden –, und konnte mich absolut nicht entspannen. Die Luft war warm und drückend. Wenn heute Nacht kein Gewitter aufzog, so dass es etwas abkühlte, würde es morgen sicher ordentlich heiß werden. Ich stand auf und öffnete das Schlafzimmerfenster. Ohne mich zuzudecken, lag ich im blauen Mondlicht und sah zu den glitzernden Sternen hinauf.
Auf einmal nahm ich in der Stille draußen Tierstimmen wahr: Käuzchen riefen, gelegentlich blökte ein Schaf, eine Kuh muhte leise. Ländliche Nachtgeräusche, an die ich mich inzwischen schon fast gewöhnt hatte, wehten in mein Zimmer, hin und wieder begleitet von einer hochwillkommenen leichten Brise, und das Rascheln der Blätter klang, als wären auch die Bäume dankbar für die Erfrischung. Schließlich wurde mir sogar ein bisschen kühl, und ich richtete mich auf, um das Fenster wieder zu schließen. Aber da merkte ich auf einmal, dass die Geräusche gar nicht von Tieren stammten, sondern dass es Menschenstimmen waren. Wie weit entfernt sie waren, war schwer einzuschätzen, weil ich mich mit den akustischen Verhältnissen hier auf dem Land nicht auskannte, aber wenn ich aufmerksam lauschte, konnte ich deutlich das Steigen und Fallen einer Unterhaltung ausmachen, plötzliches Lachen, Musik und dann abrupt wieder Stille, wenn der Wind einen Moment aussetzte. Aber der Lärm kam eindeutig vom Schloss.
Es war 23 Uhr 30. Kurz entschlossen schlüpfte ich in Jogginganzug und Turnschuhe, wobei ich leider nicht verhindern konnte, dass die Dielen unter meinen Füßen knarrten. Bei jedem Knarren zuckte ich zusammen und erstarrte, weil ich befürchtete, dass Rosaleen aufwachte. Vorsichtig schob ich den Stuhl von der Tür weg und machte sie auf. Die Treppe hinunter und aus dem Haus zu kommen, ohne die Herrin des Hauses zu wecken, war ein Kunststück, dem ich mich nicht unbedingt gewachsen fühlte. Prompt hörte ich Rosaleen husten, und ich machte die Tür schnell wieder zu. Ich hatte sie noch nie nachts husten hören. Vielleicht war das ein Zeichen, eine Warnung.
Ich kletterte direkt von der Tür aus auf das Bett, um möglichst wenig über die knarrenden Dielen gehen zu müssen, und kroch über die Matratze zum Fenster. Die Matratze war alt, federte und gab ein Quietschgeräusch von sich, aber das machte mir keine allzu großen Sorgen, denn es konnte ja sein, dass ich mich im Schlaf herumwälzte. Ich angelte die Taschenlampe aus dem Nachttisch und schob das Fenster hoch. Zum Glück war es groß genug zum Hinausklettern, und außerdem lag mein Zimmer direkt über der Veranda. Obwohl das Verandadach relativ spitz zulief, konnte ich, wenn ich einigermaßen gut zielte, sicher darauf landen. Von dort war es ein Kinderspiel, am Holzgitter der Veranda hinunterzuklettern.
Plötzlich öffnete sich die Tür von Rosaleens und Arthurs Schlafzimmer, und schnelle Schritte eilten den Korridor hinunter. Im Nu war ich wieder im Bett und hatte mich, samt Trainingsanzug, Turnschuhen und Taschenlampe, unter der Decke verkrochen. Im gleichen Moment, als meine Zimmertür aufging, schloss ich die Augen. Das
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