Ich sehe dein Geheimnis
gar nicht gedacht. »Nein, noch nicht.«
»Komm zu mir, ich arrangiere ein Treffen mit unserem Anwalt.«
Großartig. Der Anwalt der Familie Clayworth war bestimmt der teuerste im gesamten Bundesstaat. »Oh, ich glaube nicht, dass wir uns den leist-«
»Mach dir deswegen keine Gedanken«, unterbrach mich Stephen. »Komm einfach her und ich helfe dir.«
Sollte ich mich letztes Jahr derart in ihm getäuscht haben? Ich hätte mich ohrfeigen können. »Vielen vielen Dank, Stephen. Ich komme sobald wie möglich.«
»War das Stephen Clayworth?«, fragte Mom, sobald ich aufgelegt hatte.
»Ja. Wenn wir jetzt zu ihm fahren, organisiert er ein Treffen mit dem Anwalt seiner Familie.«
Sie war sichtlich erstaunt. »Seid ihr beiden …«
»Nein, überhaupt nicht. Wir haben das Kriegsbeil begraben. Wie sich herausgestellt hat, ist er gar kein übler Kerl.«
Mom griff nach ihrer Handtasche und den Autoschlüsseln und wir rannten nach draußen. Kurz vor dem Auto machte ich abrupt halt. Der linke Vorderreifen war platt.
»Oh«, sagte Mom. »Ich habe gar nicht bemerkt, dass der Reifen zu wenig Luft hat.«
Ich kniete mich hin und betrachtete den Reifen.
»Er hat nicht zu wenig Luft. Er wurde aufgeschlitzt.«
Neunzehn
»Heute früh war der Reifen noch in Ordnung«, sagte Mom.
»Bestimmt hat ihn niemand aufgeschlitzt, während die Polizei hier war.«
Wir sahen uns an. Wer auch immer den Reifen zerstört hatte, musste es innerhalb der letzten zehn Minuten getan haben. Ich lief ein paar Meter die Straße hinunter und sah mich nach Passanten um.
Ein ungefähr zwölfjähriger Junge kam mit dem Fahrrad in meine Richtung gefahren. Ich hielt ihn an. »Hast du noch jemand anderen auf der Straße gesehen?«
»Äh, na ja, ziemlich viele Leute.« Sein Tonfall machte klar, dass er mich für bescheuert hielt.
»Genauer gesagt jemanden, der von unserem Haus weggerannt ist? Jemand hat den Reifen unseres Autos aufgeschlitzt.«
Er war nicht besonders beeindruckt. »Ich habe ein Mädchen mit einer Strandtasche und einem hässlichen Hut gesehen. Sie schien es eilig zu haben.«
»Luke!« Ein Mädchen mit langen blonden Haaren winkte den Jungen zu sich herüber.
»Sorry, ich muss weiter.«
Jaja, die Anziehungskraft der Blondinen. So früh geht das schon los. Apropos blond – ich wusste jetzt, wer den Reifen aufgeschlitzt hatte. Tiffany. Aber momentan hatte ich keine Zeit dafür, mich mit ihr auseinanderzusetzen. Erst musste ich Hilfe für Perry organisieren. Aber wie sollten wir jetzt zu Stephen kommen?
Ein glänzendes schwarzes Auto, das ich als das von Mr Spellman erkannte, bog um die Kurve. Im nächsten Moment lehnte sich Justin aus dem Fenster. »Steigt ein!«
Er war zwar kein Ritter auf einem weißen Ross, aber ich gab mich damit zufrieden.
Mom setzte sich auf den Beifahrersitz, ich sprang hinten rein und Justin fuhr los.
»Ich habe gehört, dass Perry von der Polizei mitgenommen wurde«, erklärte er. »Mein Vater hat einen befreundeten Anwalt angerufen. Wir treffen ihn auf dem Revier.«
»Du hast noch keinen Führerschein«, stellte ich fest.
»Aber ich darf fahren, solange ein Erwachsener im Auto sitzt.« Er lächelte. »Hallo, Mrs Fern.«
Mom klopfte ihm auf die Schulter. Sie hatte Justin immer gemocht und mir zu verstehen gegeben, dass er ihrer Meinung nach eine zweite Chance verdient hatte. Ich seufzte. Jetzt, da er sich als Retter der Familie profiliert hatte, würde sie mir damit noch mehr auf die Nerven gehen.
»Es tut mir leid. Wirklich«, flüsterte Gabriel mir zu.
»Dein Vater macht nur seine Arbeit.« Ich presste nervös die Hände zusammen. »Wenn Perry in jener Nacht mit Victoria zusammen war, dann muss er ihn verhören. Du hast keine Schuld. Bald wird sich herausstellen, dass Perry es nicht getan hat. Dein Vater wird ihn freilassen und wir beide können wieder … an der Lösung des Falls arbeiten.«
Er wandte sich ab, als sei er sich dessen nicht so sicher. Und ich war es auch nicht.
Ich ließ mich auf einen harten Plastikstuhl fallen. Es war furchtbar, im Wartezimmer zu sitzen und zu wissen, dass mein Bruder irgendwo in diesem Gebäude in einem winzigen Raum eingesperrt war und Angst hatte. Ich hoffte, sie bombardierten ihn nicht mit Fragen. Ich hoffte auch, dass er klug genug war, nicht zu antworten, bis wir ihm einen Anwalt beschafft hatten.
Anthony Toscano betrat den Raum und Gabriel gin g sofort zu ihm. Als ich zu den beiden trat, flüsterte Anthony etwas in Gabriels Ohr.
»Entschuldigung,
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