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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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saß und ihre ganze Hoffnung in Michael und sie setzte.
    Der Zeigefinger drückte die linke Maustaste wie von selbst. Sie beobachtete, wie die Meldung Beitrag abgeschickt erschien.
    Erstaunt stellte sie fest, dass ihr Herz raste, als hätte sie am Ende der Kletterroute bemerkt, dass sie ungesichert im rutschigen Fels hing.

28
    Auf dem Weg zur Küche fuhr er mit dem Finger über den Türrahmen. Nichts. Kein Staubkörnchen. Kein Fett. Kein Dreck.
    Ja, keimfrei leben, das habe ich bei dir gelernt, Mutter.
    Bei dem Gedanken an seine Mutter presste er seine Fingerkuppen in das empfindliche Narbengewebe, das sich über seinen gesamten Oberkörper zog. Schmerz durchzuckte ihn. Langsam verringerte er den Druck seiner Finger und genoss das Gefühl der Erleichterung, als das Klopfen und Ziehen in seiner geschundenen Haut nachließ.
    Und Angst. Vor deinen Schlägen. Deinem Hass. Meinem Hass. Das hast du mir beigebracht. Putzen. Ducken. Hassen.
    Er trocknete die Pfanne ab und verstaute sie in der Schublade, unter dem Wassertopf, den Henkel nach links gerichtet.
    Sonst nichts. Nichts!
    Er ließ das Handtuch durch die Luft schnellen, als wolle er seinem Gegenüber einen Peitschenhieb versetzen, und fuhr dann damit über die Arbeitsfläche, polierte Wasserhahn und Spüle, bis der Edelstahl glänzte, und hängte es zum Schluss sorgsam über die Stuhllehne.
    Zurück im Wohnzimmer setzte er sich an den Esstisch gleich neben der Küchentür, von dem aus er einen guten Blick auf den großen Flachbildfernseher hatte. Er fuhr seinen Computer hoch. Sobald er mit dem Internet verbunden war, rief er seine Favoritenliste auf. Dutzende Foren und Chatrooms waren aufgelistet, akribisch verwaltet in einem System aus Ordnern und Unterordnern. Er öffnete den Ordner Blackwidow , klickte auf einen der dort aufgelisteten Links, überprüfte die Anwesenheitsliste und schloss ihn wieder. Er wiederholte die Prozedur mehrmals, bis er schließlich den gesuchten Namen las. Zufrieden zündete er sich eine Zigarette an.

29
    Langsam kippelte Lydia mit dem Stuhl nach hinten, bis er nur noch auf zwei Beinen balancierte und sie sich am Tisch festhalten musste, um das Gleichgewicht zu halten. Was Sara sich nur dabei gedacht hat? War ihr nicht klar, dass sie die Mitglieder mit dieser an den Haaren herbeigezogenen Theorie gegen sich aufbrachte? Sie verlagerte ihr Gewicht nach vorne, und die Stuhlbeine landeten mit einem dumpfen Knall auf dem Küchenboden. Es war doch ein Fehler gewesen, Sara und den Seitz als Mitglieder freizuschalten. Solche Aktionen lenkten nur Aufmerksamkeit auf das Forum. Wenn die Polizei mitlas, war der nächste Besuch von diesem Bullen, diesem Behringer, nur eine Frage der Zeit.
    Sie klickte Saras Beitrag weg und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Chat. Die Diskussion im Chatroom nahm immer absurdere Züge an. War sie heute nur von Verrückten umgeben? Ihre Finger flogen über die Tastatur.
     
    Blackwidow: Das soll ich dir glauben?
    Hering: Ich schwör’s, das klappt! Ehrenwort.
    Charly ist jetzt online.
     
    Lydia hielt die Luft an. Sie spürte, wie die Panik in ihr aufstieg, langsam von ihr Besitz ergriff, sie am ganzen Körper zittern ließ. Sie griff nach der Papiertüte neben der Obstschale und hielt sie sich an den Mund. Langsam atmete sie in die Tüte, während sie weiterlas.
     
    Violettinchen: Hallo Charly, immer noch auf der Suche?
    Hering: Hallo Charly, wen suchst’n?
    Charly: Meine Frau. Schwarze Haare. Stupsnase, Leberfleck am linken Ohr.
    Violettinchen: He, Charly, hör auf! Du kannst keinen Steckbrief hier reinstellen.
    Hering: Wie bist’n du drauf? Das ist kein Kopfgeldjägertreff, sondern ein anonymer Chat. Anonym, klar? Uns interessiert nicht, wie jemand aussieht oder heißt. Verpiss dich.
    Charly: 27 Jahre, knapp 1,70 groß, etwa 70 Kilo,
    Hering: Zieh Leine. Ich geh. Violettinchen? Blacki?
    Hering ist jetzt offline.
    Violettinchen ist jetzt offline.
     
    Lydias Gedanken irrten im Kreis. Was hatte er vor? Niemand war so blöd, eine echte Person in einem anonymen Chatroom zu suchen. Er musste einen anderen Plan verfolgen. Wollte er sie verunsichern? Ihr zeigen, dass er sie gefunden hatte, genau wusste, wer sich hinter dem Pseudonym Blackwidow versteckte? Aber wozu? Selbst wenn er sie irgendwie im Chat erkannt hatte, was brachte es ihm? Sie musste nur diesen Chatroom meiden. War das seine Strategie? Sie im virtuellen Raum zu jagen, bis sie sich nirgendwo mehr sicher fühlte? Oder wollte er sie aus der Reserve

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