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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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ich das Gefühl, jemand ist hinter mir her.«
    »Kannst du mir genau beschreiben, wann du dich verfolgt gefühlt hast?« Auf einmal war sein Ton gedämpft, fast sanft, als wolle er ein verschrecktes Kind beruhigen.
    Sara dachte nach. »Auf dem Weg zur U-Bahn. Und in der U-Bahn-Station. Ich kann dir das nicht beschreiben, aber ich hatte so ein komisches Gefühl.«
    »Nur da, oder gab es auch andere Zeitpunkte?« Die Dringlichkeit in seiner Stimme ließ sie aufhorchen.
    »Im KulturLaden. Da war dieses Schleichen. Und dann hing da dieses Foto.« Die Erkenntnis, dass sie sich nicht getäuscht hatte, traf sie wie ein Hammerschlag. Wenn sie dort richtiggelegen hatte, warum dann nicht auch auf dem Weg zur U-Bahn?
    »Ich hab Angst«, sagte sie leise in den Telefonhörer.
    »Gut. Das reicht. Ich komme zu dir. Sofort. Keine Widerrede.«
    Sara überlegte kurz. Wenn Ronnie doch heimkam, weil er sich mit seiner Mutter stritt oder einsah, dass er überreagiert hatte, und Michael hier fand … Das durfte auf keinen Fall passieren!
    »Nein, lass uns am Rotkreuzplatz treffen. Nein, besser im Grünwald-Bistro, da kann man eher parken, und es ist nicht so laut. Weißt du, wo das ist?«
    »Nein, hast du die Adresse?«
    »Ganz einfach, Ecke Nymphenburger und Romanstraße. Gegenüber vom Grünwaldpark, dort gabelt sich die Straße.« Sie hörte Papier reißen.
    »Gib mir eine Viertelstunde.«
    Sara steckte ihr Handy in den Mantel zurück und spürte, wie sich das erste Mal an diesem Abend ein Lächeln auf ihre Lippen schlich. Ein Lächeln der Erleichterung, weil er sie ernst genommen hatte und jetzt kam, um sie zu beschützen.

55
    Er schlich die Stufen in den Keller hinunter und wagte erst unten im Flur, das Licht anzuschalten. Geübt wie jemand, der es gewohnt war, sich in fremden Kellern aufzuhalten, ging er auf die Suche nach dem Sicherungskasten. Wenn er Glück hatte, war er nicht verschlossen, sonst musste er den Keller nach geeignetem Werkzeug absuchen, um ihn aufzubrechen. Dabei würde er Spuren hinterlassen. Das konnte er sich nicht leisten. Er fand den Sicherungskasten in einem durch einen Vorhang abgetrennten schmalen Gang neben der Waschküche. Er war frei zugänglich, die Sicherungen erstaunlich modern. Er las die Beschriftungen und drehte mehrere Sicherungen heraus.
    Sofort lag der Keller in völliger Dunkelheit. Er verharrte kurz in seiner Position, bis seine Augen sich daran gewöhnt hatten und er die Konturen wieder erkannte. Dann bewegte er sich vorsichtig Richtung Kellertreppe und schlich sie ebenso leise wieder hinauf.
    Im Hausflur probierte er den Lichtschalter. Es blieb dunkel.
    Er lächelte.
    So einfach geht das, Sara.
    Erst lässt du mich selbst hinein, dann nehme ich dir das Licht im Flur weg, damit du nicht erkennst, wer gleich vor deiner Tür stehen wird.
    Ein bisschen Zeit gebe ich dir noch, ein paar Minuten, du sollst dich erst wohlfühlen in deinem Zuhause, dich in Sicherheit wiegen, damit du mir aufmachst, wenn ich gleich läute. Mich als Vertretung des Hausmeisters ausgebe, auf der Suche nach der Ursache für den Kurzschluss im Treppenhaus …
    Auf Zehenspitzen stieg er Stufen hinauf, vorsichtig und langsam, immer darauf bedacht, das Knarzen der alten Holzstufen zu vermeiden.

56
    Kaum hatte Sara aufgelegt, überrollte sie eine Welle der Erleichterung. Die Sorge in seiner Stimme, sein Entschluss, sich sofort mit ihr zu treffen, all das erfüllte sie mit neuer Zuversicht. Er wusste sicher, wie sie jetzt am besten vorgehen sollten.
    Sie hastete in ihr Schlafzimmer und vertauschte ihren Pullover mit einer engen Angorajacke. Der Gedanke an Michael, an das Knistern in der Luft, als er bei ihr am Küchentisch saß, löste bei ihr ein angenehmes Flattern im Magen aus. Im Badezimmer wusch sie die verlaufene Wimperntusche weg. Kritisch betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Sie tuschte ihre Wimpern aufs Neue und legte Lippenstift auf. Sie lächelte ihr Spiegelbild an und dachte an Sonntag früh, als er in ihrer Küche gesessen und ihre Hände genommen und ihr versichert hatte, dass sie jetzt eine echte Chance hatten, Tini zu helfen.
    An der Garderobe zog sie die schwarzen Stiefel und den Wollmantel an. Nahm die lila Mütze und den Schal, steckte Handy und Geldbörse ein und sperrte die Wohnungstür auf. Die Hand an der Klinke, spähte sie durch den Spion. Der Flur lag pechschwarz vor ihr. Sie spürte die Anspannung in ihrem Körper und atmete tief durch. Dann öffnete sie die Tür und drückte den Lichtschalter.

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