Ich sehe was, was du nicht siehst
Sir?«
»Das kommt darauf an.«
»Worauf?«
»Ob Sie Pierce noch einmal wehtun.«
12
Die Tür hinter Alex öffnete sich, und Pierce trat hinaus auf die Veranda. Madison bemerkte, wie seine Kiefermuskeln arbeiteten, als er zu ihnen herübersah, so als würde ihm klar, was Alex gerade mit ihr anstellte.
Er verhörte sie.
Sie versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen und lächelte vorsichtig.
»Du solltest eigentlich die Steaks in die Zange nehmen und nicht Madison.« Misstrauisch beäugte Pierce Alex und stellte einen Eimer mit eisgekühltem Bier auf den Boden. Austin, der einen zweiten Eimer auf dem Schoß balancierte, fuhr mit seinem Rollstuhl neben ihn. Pierce nahm den Eimer und stellte ihn neben den ersten.
Als Pierce einen kampfeslustigen Schritt auf Alex zumachte, griff Madison schnell nach seinem Arm.
»Alex hat mir nur Familiengeschichten erzählt.«
Pierce musterte sie aus zu Schlitzen verengten Augen. Er wirkte nicht überzeugt.
Alex lächelte, in seinem Blick lag Anerkennung. »Austin, du musst deine Medikamente nehmen, ehe wir essen.«
Austins Lächeln verblasste und er fluchte leise, während er seinen Rollstuhl herumlenkte und zurück ins Haus fuhr.
»Du solltest ihn nicht wie ein Kind behandeln«, sagte Pierce.
»Da hast du recht, aber er verehrt dich wie einen Helden, und ich möchte nicht, dass er sich aufregt. Das tut ihm nicht gut.«
»Warum sollte er sich aufregen?«
»Weil du angeschossen worden bist. Ich möchte alle Einzelheiten hören. Lass nichts aus.«
Pierce stützte sich am Verandageländer ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Madison, würde es dir etwas ausmachen, ins Haus zu gehen und nachzusehen, ob Austin allein klarkommt?«
»Wer ist jetzt derjenige, der ihn wie ein Kind behandelt?«
Madison stürmte Richtung Tür, mehr als froh darüber, dieser speziellen Diskussion nicht beiwohnen zu müssen und außerdem ein bisschen Distanz zwischen sich und Alex bringen zu können. »Mach ich doch gern«, sagte sie und ging ins Haus.
Das Geräusch unterdrückter Flüche führte sie in den vorderen Teil des Hauses, wo sich die Küche befand. Austin hatte seinen Rollstuhl vor einem Tisch platziert, auf dem mehrere Pillendöschen verstreut lagen. Zu seiner Rechten stand eine Flasche mit Wasser.
Als sie das Zimmer betrat, blickte er auf. Seine Wangen verfärbten sich rot. »Hat Alex Sie hergeschickt, damit Sie mir helfen? Er scheint tatsächlich zu glauben, dass ich diese verdammten Dinger nicht allein aufmachen kann.«
Sie zog sich einen Stuhl heran und nahm ihm die Flasche ab. »So wie Sie geflucht haben, als ich hereingekommen bin, hat er wahrscheinlich recht. Aber eigentlich war es Pierce, der mich hergeschickt hat. Er wollte unter vier Augen mit Alex reden.« Sie drehte die Verschlusskappe ab und legte sie auf den Tisch. »Wie viele?«
Austins Mundwinkel zuckten, und sein Stirnrunzeln verwandelte sich in ein Lächeln. »Sie sind ganz schön frech. Das gefällt mir.« Er deutete mit dem Kinn auf das Fläschchen. »Von denen da muss ich eine halbe nehmen.«
Sie ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, stand auf und ging zur Küchentheke. Sie zeigte auf ein Messer und ein Schneidebrett. »Benutzen Sie das hier zum Zerteilen?«
»Ja, genau.«
Sie wusch sich die Hände im Waschbecken und trug Messer und Schneidebrett zum Tisch. Nachdem sie sich gesetzt hatte, schüttelte sie eine Tablette aus der Pillendose.
»Ich hätte nicht daran gedacht, mir erst die Hände zu waschen.«
»Das liegt daran, dass Sie ein Mann sind.«
Er zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich.«
»Warum nennen Sie ihn Alex?«, fragte sie.
»Weil er so heißt.«
»Wer von uns ist jetzt frech? Er ist Ihr Vater, stimmt’s? Warum nennen Sie ihn dann bei seinem Vornamen?«
Austin zuckte wieder mit den Achseln. »Ich bin damit aufgewachsen, dass alle ihn Alex genannt haben. Das ›Daddy‹-Etikett ist daher nie wirklich an ihm hängen geblieben.«
Ein paar Minuten lang saßen sie schweigend da, schüttelten Tabletten aus Pillendosen und legten sie auf eine Serviette. Madison zerteilte nach Austins Anweisung drei verschiedene Tabletten. Als sie fertig waren, schraubte sie die Verschlüsse wieder zu. »Wo werden die aufbewahrt?«
»Auf der Küchentheke.« Er deutete auf die Stelle, an der das Schneidebrett und das Messer gelegen hatten. »Aber ich kann sie selbst dorthin zurückstellen.«
»Ich bin mir sicher, dass Sie das können. Aber im Moment habe ich nichts Besseres zu tun.« Sie
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