Ich soll nicht töten
als würde er gründlich darüber nachdenken. » Jawohl.«
» Und du willst ihn fettarm, aber dann Schlagsahne obendrauf?«
» Ich bin ein komplizierter Mensch mit komplizierten Geschmacksknospen.«
Ehe Helen sich entfernen konnte, hielt Jazz sie auf. » Mach die zwei Kaffee zum Mitnehmen, okay?«
» Gern.«
» Wieso das de…« Howie brach ab. » Ah, ich verstehe. Schleimbeutel-Alarm.«
Er hatte gesehen, was Jazz wenige Augenblicke zuvor bemerkt hatte: An der Theke des Coff-E-Shops saß niemand anderer als Doug Weathers, ein Reporter der miesen Wochenzeitung für das County. Als Billy gefasst und verhaftet worden war, hatte sich Weathers unvermutet als erster Journalist am Schauplatz eingefunden und als derjenige mit dem ganzen Hintergrundwissen. Er kannte die Familien der letzten Opfer. Er kannte die Gegend. Er kannte Billys Freunde und Kollegen. Er hatte sogar Billy selbst einmal kennengelernt, bei einer lokalen Politikveranstaltung vor vielen Jahren.
Und Weathers holte aus diesem Umstand heraus, was sich nur herausholen ließ. Plötzlich war er der » Experte vor Ort«, sein Bild tauchte auf CNN und Fox News auf und auf allen großen Fernsehkanälen. Monatelang konnte man keinen Fernseher einschalten, ohne Billy Dent zu sehen… und gleich nach Billy Dent sah man Doug Weathers.
Doug war auch dafür verantwortlich, dass Bilder von Jazz auftauchten, erst in den Zeitungen, dann im Fernsehen. Jazz war sich sicher, dass es Leute gab, die er mehr hasste als Doug Weathers, aber er war sich gleichermaßen sicher, dass die Liste sehr kurz war. Er wollte das Café verlassen, ehe Weathers…
Zu spät. Weathers hatte sich auf seinem Hocker umgedreht und Jazz und Howie erspäht. Er riss die trüben graubraunen Augen auf und glitt von seinem Sitz.
» Na, großartig.«
» Ah, hallo, Jasper«, sagte Weathers und schnappte sich einen Stuhl von einem anderen Tisch, um sich zu den beiden Jungen zu setzen. » Ist ja witzig, dass ich dich hier treffe.«
» Ja, echt witzig«, brummte Howie. » Alle wissen, dass wir hier Kaffee trinken. Wie lange warten Sie schon auf uns?«
Weathers grinste. Er war in den Dreißigern, mittelgroß, mit einem Gesicht, das selbst dann traurig aussah, wenn er lächelte. Draußen war ein heller, klarer Tag, aber er trug trotzdem einen Trenchcoat, wahrscheinlich, weil ihm irgendwer einmal erzählt hatte, dass Reporter das taten.
» Hey, Gersten, wenn du was von dem Ruhm abhaben willst, kann ich dafür sorgen. Überrede unseren Jasper hier, dass er mir ein Exklusivinterview gibt. Und ich mache ein hübsches Kästchen über dich. › Der beste Freund in der Zeit des Wahnsinns‹.«
» Wow«, sagte Howie und pfiff in gespielter Anerkennung durch die Zähne. » Hast du gehört, Jazz? Ich könnte ein Kästchen kriegen!«
» Verschwinden Sie, Weathers«, sagte Jazz. » Das habe ich Ihnen schon mindestens zehn Mal gesagt.«
» Überleg es dir, Junge. Zusammen könnten wir…«
» Oder sechs Mal als E-Mail geschrieben.«
» …deine Seite der Geschichte bringen…«
» Und ein Dutzend Mal als SMS geschickt.«
» …und ein Riesenaufsehen erregen«, plapperte Weathers weiter, als hätte Jazz gar nichts gesagt. » Komm schon. Nur ein einziges Interview. Warst du in letzter Zeit im Gefängnis, um deinen Dad zu besuchen? Noch besser. Gute Atmosphäre. Ich besorge einen Fotografen, und wir fahren zusammen. Ein kleines Interview. Schadet niemandem, und es wird dein Leben verändern.« Seine Augen funkelten vor Begeisterung.
» Es wird Ihr Leben verändern. Sie wären wieder im Rampenlicht. Vermissen Sie es wirklich so sehr, auf CNN zu kommen?«
Weathers setzte eine bescheidene Miene auf, aber seine Augen glänzten vor Ruhmsucht. » Na ja, sicherlich gäbe es einen Bedarf für mein Insiderwissen und meine Zeit. So läuft das Spiel normalerweise eben…«
In diesem Moment traf Helen mit den Kaffees ein. Zum Mitnehmen. Jazz und Howie griffen sich ihre Becher.
» Das ist kein Spiel, Blödmann«, sagte Jazz.
» Ja«, ergänzte Howie. » Und wenn es eins wäre, dann würden Sie die ganze Zeit nur verlieren.«
Sie eilten aus dem Coff-E-Shop. Jazz warf einen letzten Blick über die Schulter. Weathers saß immer noch an dem Tisch beim Fenster und starrte böse zu ihnen hinaus. Er hatte nach Billys Verhaftung einen Zipfel der Welt außerhalb von Lobo’s Nod erhascht und würde den Rest seines Lebens alles dafür tun, um noch einmal daran zu schnuppern.
Aber er würde dazu nicht auf Jazz’ Schultern
Weitere Kostenlose Bücher