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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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beiseitegeschafft, und ich müsste mich jetzt nicht mit diesem Mist herumschlagen. Töten und beseitigen. Aber nein, du musst sie verprügeln, sodass sie heimlaufen und ihren Mommies was vorheulen, und jetzt darf ich mein zivilisiertes Gesicht aufsetzen und diese Hexen besänftigen.«
    Und es gab den Drang, die Gefühle, die Erinnerungen. Die Dinge, die man ihm beigebracht und die er vergessen hatte, aber sie lauerten irgendwo im Keller seines Gehirns, bereit, wie Stalker in der Nacht zuzuschlagen. Der Psychiater des Sozialdienstes hatte Jazz auf auftauchende Erinnerungen vorbereitet, Dinge, die er für vergessen hielt und die ungebeten und ohne Vorwarnung jederzeit wieder an die Oberfläche kommen konnten.
    Wenn Erinnerungen wieder auftauchen konnten… konnten andere Dinge es dann ebenfalls? Bedürfnisse, Triebe, Verlangen?
    Innere Zwänge?
    Theoretisch war man mit siebzehn zu jung, um als Soziopath eingestuft zu werden. Psychiater warteten gern, bis jemand achtzehn war, ehe sie diese Diagnose trafen, deshalb konnte Jazz rein formal keiner sein. Aber er wusste, es gab keinen Schalter, der an seinem achtzehnten Geburtstag wie von Zauberhand umgelegt wurde, um zu bestimmen, was oder wer er war. Alter spielte keine Rolle– ein Junge namens Craig Price hatte mit dreizehn Jahren eine Karriere als Serienmörder begonnen. Dreizehn Jahre, und er war mordend losgezogen, mit sehr viel weniger Vorbereitung, als Jazz sie genossen hatte.
    Die Würfel waren bereits gefallen, die Karten gemischt und verteilt. Er war, was er war, ob er es bereits wusste oder nicht. Vielleicht war er nur ein Typ mit einem verrückten Vater wie andere Typen mit verrückten Vätern.
    Oder er war etwas anderes.

12
    Er sollte nach Hause fahren– Gramma würde warten–, aber Fulton hatte ihm Ideen in den Kopf gesetzt, die bewirkten, dass er sich verseucht fühlte. Radioaktiv. Er konnte die Nähe anderer Leute im Augenblick nicht ertragen, deshalb verließ er die Stadt und fuhr hinaus zu seinem Versteck.
    Einer der Vorteile davon, in einer Kleinstadt weitab vom Schuss aufzuwachsen, die ihre besten Zeiten seit Jahrzehnten hinter sich hat, ist, dass es viele verlassene Grundstücke gibt, die man für seine Zwecke nutzen kann. Das hatte Jazz, er musste es zugeben, von Billy gelernt. Immerhin hatte Billy zwei Einheimische aus Lobo’s Nod getötet und es fertiggebracht, G. William sechs Monate lang nicht aufzufallen, bis der Sheriff schließlich die richtigen Zahlenreihen addiert hatte und zu Schlussfolgerungen gelangt war, die ihn zum Haus der Dents führten. Die vergessenen Nebenstraßen und Korridore der Stadt waren Billy nicht fremd, und er hatte seinem Sohn beigebracht, wie wichtig sie waren.
    Jazz war vor einem Jahr auf sein Versteck gestoßen– eine alte, baufällige Schwarzbrennerhütte, wie es aussah, achtzig Jahre alt, wenn nicht älter. Glücklicherweise stand sie in einem Wäldchen aus vernachlässigten Fichten und Kiefern, sodass sie das ganze Jahr über verborgen war, obwohl sie nicht weiter als vierhundert Meter von der nächsten Straße entfernt lag. Sie war ihm als ein guter Ort erschienen, um allein zu sein und nachdenken zu können, deshalb hatte er ein paar oberflächliche Reparaturen durchgeführt und sie zu seinem persönlichen Versteck erklärt. Da er kein Handy besaß, war er dort so abgeschieden, wie er nur sein konnte, ohne im Hundeschlitten zum Nordpol aufzubrechen.
    Vor etwa einem halben Jahr war er zu der erschreckenden Erkenntnis gelangt, dass er sich damit ziemlich schulbuchmäßig wie ein Serienmörder verhielt: LEKTION EINS : SUCH DIR EINE HERUNTERGEKOMMENE ALTE HÜTTE IM WALD , WO DU DEINE VERBRECHEN PLANEN UND DEINE OPFER HINBRINGEN KANNST , OHNE DASS ES JEMAND MERKT .
    Also hatte er Connie davon erzählt, und sie kam gelegentlich mit ihm hinaus, wodurch er sich etwas weniger wie… Billy fühlte.
    Jetzt fuhr er schnurstracks dorthin, weil er allein sein musste. In der Hütte hielt er sich nicht damit auf, die Laternen anzuzünden oder auch nur die behelfsmäßigen Vorhänge aufzuziehen, sondern saß lieber im Dunkeln. Die Hütte maß nicht mehr als gut drei Meter im Quadrat, die rauen Steinwände waren mit Teer abgedichtet, um Regen und Insekten draußen zu halten. Jazz hatte im letzten Sommer ein paar alte Barhocker und einen Sitzsack angeschleppt, und in diesen ließ er sich jetzt fallen.
    Er klappte seine Brieftasche auf. Blätterte an dem Bild von Connie vorbei, an dem Foto vom Schulfest im letzten Monat, auf dem

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