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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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das gibt ein Durcheinander, und Durcheinander ist unser Freund, Jazz. Bei einem Durcheinander gehen Beweismittel verloren. Die Leute werden konfus bei einem Durcheinander.
    Jazz’ Herz raste. Ein hoher Ton füllte seine Ohren.
    » Er ist hier«, flüsterte er.

19
    » Was?« Howie glotzte Jazz an wie ein Kind, das im Riesenrad stecken geblieben ist.
    Jazz packte seinen Freund am Kragen und zog ihn zu sich her. » Er ist hier«, flüsterte er in Howies Ohr.
    » Verdammt…«
    » Lauf, Howie. Lauf nach draußen. Ruf die Polizei an. Halt an der Feuertreppe in der Gasse Ausschau, falls er zu entkommen versucht.«
    Howie sah stur geradeaus, Angst und Schock im Blick. Jazz stieß ihn hart. » Los!«, forderte er, so laut er es wagte. » Schnell!«
    Howie rannte zur Treppe.
    Jazz dachte nicht nach. Er gestattete sich nicht nachzudenken. Er hatte den Mörder da drinnen gehört, dessen war er sich sicher. Vielleicht war es noch nicht zu spät.
    Sein Herz raste nicht mehr. Sein Atem ging langsam und leicht, und alles war wie in Sirup getaucht, alles bewegte sich zäh. Er hatte alle Zeit der Welt.
    In diesem plötzlichen, merkwürdig entrückten Zustand trat er an die gegenüberliegende Wand des schmalen Flurs zurück, dann warf er sich nach vorn und trat mit dem rechten Fuß auf Höhe der Türklinke zu, genau, wie es ihm Billy beigebracht hatte. Die Tür zitterte. Ein heftiger Schmerz fuhr in Jazz’ Bein und bis zur Leiste hinauf. Es fühlte sich an, als hätte er einen Vorschlaghammer an den Oberschenkel bekommen, und alles, was es bewirkte, war eine Delle rund um den Türknopf.
    Und das unverkennbare Geräusch schneller Schritte aus der Wohnung. Die Zeit lief wieder im normalen Tempo, und Jazz’ Herz hämmerte wie verrückt.
    » Flucht ist sinnlos!«, brüllte Jazz. » Die Polizei hat das Haus bereits umstellt!« Und dann trat er trotz des pochenden Schmerzes im Bein noch einmal zu, und zu seiner Überraschung sprang die Tür auf, während Klinke und Schloss klappernd zu Boden fielen.
    Humpelnd stürzte er in Ginnys Wohnung. Auf halber Höhe eines kurzen Flurs ergoss sich Licht aus einem Zimmer. Das Wohnzimmer, wie er sich erinnerte.
    Jazz schlitterte durch einen Türbogen in den offenen Raum. Er nahm die Szenerie mit einem Blick wahr: Das Sofa, auf dem er Händchen haltend mit Connie gesessen hatte, war unter das Fenster an der Wand gerückt worden, schief zu den anderen Möbeln im Raum, und eine Gestalt kletterte gerade darauf. Eine weitere, zierliche Gestalt lag auf einem rot-weiß gemusterten Läufer.
    Der Mann auf dem Sofa drehte sich um. Er trug eine schwarze Skimaske, aber die ließ die Augen frei. Für eine Sekunde begegnete Jazz seinem Blick. Blaue Augen. Irre Augen.
    Und dann wandte sich der Killer ab, einen Arm vors Gesicht gehoben, als würde er von Sonnenlicht geblendet, und jagte aus dem Fenster.
    Jazz hastete zum Fenster, blieb aber stehen, als es sich unter seinen Füßen feucht und matschig anfühlte. Der Läufer war nicht rot-weiß gemustert. Er war schlicht weiß.
    Er erstarrte. Er konnte immer noch aus dem Fenster stürzen, den Täter vielleicht zu fassen kriegen, ihn festhalten, bis die Polizei eintraf…
    Aber Ginny.
    Sie lag zitternd und bebend auf dem Teppich, während die Fasern ihr Blut aufsaugten, das aus den fünf beinahe chirurgisch ausgeführten Stummeln an ihrer rechten Hand floss. Ihre Augen waren in den Schädel zurückgerollt.
    Jazz konnte sich nicht bewegen. Er war wie gelähmt. Starrte sie an.
    Das war er. Das war der Moment, von dem er so viel gehört hatte. Der Moment, den Billy verherrlicht hatte.
    Es heißt, wenn jemand stirbt, erlischt ein Licht in seinen Augen, flüsterte Billy in Jazz’ Kopf, in seiner Erinnerung. Aber das ist nicht alles. Da ist noch ein Laut, Jasper. Ein leise klingender Laut. Er ist schön und friedlich und heilig. Man muss ganz nahe herangehen, um ihn zu hören.
    Der Einstich an ihrem Hals verriet alles, auch wenn Jazz diesen Hinweis gar nicht brauchte. Wie es bei Myerson gewesen war und wie es bei den nächsten beiden Opfern sein würde, hatte er ihr Abflussreiniger gespritzt, was sich verheerend auf ihren Herzmuskel auswirkte. Als wäre der Schock der abgetrennten Finger nicht genug, hatte sie auch noch unglaubliche Schmerzen und erlitt einen massiven Herzanfall.
    Jazz betete, dass Howie die Notrufzentrale verständigt hatte. Er schüttelte seine Erstarrung ab und ging neben Ginny auf die Knie. Der Anblick und Geruch des Bluts, das Gefühl, wie es durch

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