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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Lyga
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Klinge. Das tun nur Stichwunden. Wenn es ein Messerstich wäre, dann könnten wir vielleicht eine Art forensischer…« G. William wurde bewusst, dass er ins Faseln geriet, räusperte sich und verstummte. Er ließ sich in einem Stuhl neben dem Bett nieder. » Jedenfalls sagen die Ärzte, dass du wieder gesund wirst. Freut mich, das zu hören.«
    Jazz drückte sich weiter bei der Tür herum, er brachte es nicht fertig, Howie näher zu kommen. Eine Woge von Schuldgefühlen war über ihm zusammengeschlagen, als er Howie im Bett liegen sah, und die Gewalt dieser Welle hielt ihn jetzt davon ab, auf seinen Freund zuzugehen. Schuldgefühle dieser Art waren ihm fremd. Schuldgefühle, weil er Leute manipulierte? Sicher. Die hatte er ständig. Aber er tat sie als Selbstverständlichkeit ab, als einen Preis, den man eben bezahlte. Das hier war etwas anderes. Er hätte fast den Tod eines Menschen verschuldet.
    Er hatte den Tod eines Menschen verschuldet.
    Howie hob eine Hand, obwohl es ihn sichtlich anstrengte, und winkte Jazz zu sich. » Willst du die ganze Nacht die Tür bewachen? Bist du nicht auf meine Nähte neugierig? Sie sind krass.«
    Jazz ging zum Bett und stand gegenüber von G. William. Er hatte das starke Verlangen, Howie zu berühren, fast, als müsste er sich beweisen, dass das papierdünne Ding mit der transparenten Haut in diesem Bett tatsächlich sein bester Freund war und nicht eine Halluzination.
    Howie beugte sich so weit vor, wie es angesichts seiner Schwäche und der Schläuche nur ging. Seine ohnehin matte Stimme wurde beim Reden nicht kräftiger. » Leider muss ich dir gestehen, dass du die Nähte nicht sehen kannst, Alter. Sie sind noch verbunden.«
    Jazz spielte mit. » Wirst du eine Narbe bekommen?«
    Howie runzelte die Stirn. » Eine kleine. Ich wollte eine schön große, aber niemand hat mich gefragt, weil ich zu diesem Zeitpunkt bewusstlos war. Kannst du dir das vorstellen?«
    » Diese Hurensöhne«, tönte Jazz, und dann tat er es– er streckte die Hand aus und legte sie auf Howies Hand.
    Etwas in dieser Verbindung, etwas in diesem geschlossenen Kreislauf– die straffe Verletzlichkeit von Howies Haut, die Wirklichkeit des Kontakts– setzte etwas in Jazz frei, und er sprach plötzlich, ohne zu denken.
    » Es ist alles meine Schuld«, flüsterte er. » Es ist meine Schuld, dass sie tot ist.«
    » Nein.«
    » Doch. Du wolltest G. William von unterwegs anrufen. Wenn wir es getan…«
    » Wenn wir es getan hätten«, kam Howies Stimme schwach, aber entschlossen vom Bett, » wäre es auf dasselbe hinausgelaufen. Der Typ war zu der Zeit schon dabei, sie zu töten.«
    » Howie hat recht, Jazz«, sagte G. William freundlich. Er rieb sich die Knollennase. » Wenn ihr angerufen hättet, wären wir auch nicht schneller dort gewesen. Und in der Zwischenzeit hast du ihn von seinem Plan abgebracht. Sonst schneidet er die Finger immer post mortem ab. Diesmal hat er sie abgeschnitten, als sie noch lebte.«
    » Ja, toll«, sagte Jazz voller Bitterkeit. » Ginny wird sich sehr gefreut haben.«
    G. William ließ ihm einen Augenblick Zeit, sich in seinem Zorn und seinen Schuldgefühlen zu suhlen, dann räusperte er sich. » Ich muss genau wissen, was ihr gesehen und getan habt. Ich zeichne es auf, okay?« Er schwenkte sein Smartphone und richtete die Kamera auf sie.
    Sie erklärten sich mit der Aufzeichnung einverstanden, und Jazz zog sich einen Stuhl ans Bett und ließ sich neben Howie nieder. Eine Hand hielt leicht Kontakt mit Howie, als wollte er sicherstellen, dass sein Freund nirgendwohin ging. Dann berichteten sie zusammen, welche Überlegungen sie zu Ginnys Wohnung geführt hatten und was dann passiert war. Jazz überraschte sich selbst, weil er Ginnys Tod mit einer vollkommen emotionslosen Stimme beschrieb, und während er die Fakten darlegte, stellte er fest, dass ihn ebendiese Fakten immer weniger quälten. Trauer wurde durch Wut ersetzt– Wut auf sich selbst, wegen seines Versagens, aber auch Wut auf den Mann, der seinen Vater imitierte.
    » …911 gerufen«, sagte Howie später, » und dann habe ich etwas in der Gasse gehört, deshalb bin ich hineingegangen und«, er hustete, » habe tollkühn meinen Bauch in sein Messer gerammt, aber ohne Erfolg.«
    » Hast du ihn gesehen? Könntest du ihn beschreiben?«
    Howie lächelte matt. » Klar. Er war etwa so lang«, er hielt die Hände zehn Zentimeter auseinander, » und dünn. Aus Stahl, spitz und sehr scharf.«
    Jazz konnte sich ein Grinsen nicht

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