Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
sah am deutlichsten, was in mir steckte, und holte es aus mir heraus. Ich vertraute ihr blind. Dass wir so gut miteinander arbeiteten, lag auch an ihrem unglaublichen Humor. Manchmal konnten wir vor Lachen bei den Proben nicht mehr weiterspielen. Wir haben gelacht, geweint, gekämpft und geschrien.
Das Pendeln zwischen Stuttgart und Paris war, wie Serge es vorausgesehen hatte, überhaupt kein Problem. Über meinen Bruder, der bei der Lufthansa arbeitete, konnte ich günstig fliegen. Manchmal traten wir wochenlang nicht auf, dann blieb ich in Paris. Wenn ich länger in Stuttgart sein musste, kam Serge mich besuchen. Er integrierte sich dort, wenn wir abends mit den anderen Schauspielern zusammensaßen, er kochte für alle und wir freuten uns aneinander. Alles war leicht mit ihm. 1992 bekam ich ein Angebot für ein festes Engagement in Stuttgart. Ich lehnte ab, denn mittlerweile sah ich klar: Ich wollte mit Serge in Frankreich leben.
Dazu gehörte auch, dass ich mir in Paris einen Job suchte. Weil ich drei Sprachen fließend beherrschte, fand ich schnell Arbeit bei der Messe, als Übersetzerin und Hostess. Ich hatte mir vorher keine genaue Vorstellung von meiner Aufgabe gemacht und sprang mal wieder ins kalte Wasser. Und schon fand ich mich auf einer Messe für Kräne wieder. Die Spezialbegriffe, die ich in den Verhandlungsgesprächen übersetzen sollte, kannte ich nicht einmal auf Deutsch. Ich musste improvisieren, ständig nachfragen, um überhaupt zu verstehen, von welchen technischen Details die Leute sprachen. Aber von Mal zu Mal ging es leichter. Am Ende machte es sogar Spaß. Parallel kontaktierte ich eine Agentin, um als Schauspielerin auch in Frankreich Kontakte zu knüpfen. Cindy Brace war eine agile, umtriebige Person, eine Engländerin, die schnell Verträge machte, ohne so lange zu diskutieren wie die Franzosen. Als Erstes vermittelte sie mir einen Modeljob für eine Fluggesellschaft, dann folgten Fotoshootings, später Auftritte in einer französischen TV-Serie und Radioangebote. Ich war gut im Geschäft und nun auch beruflich auf dem besten Wege, mich in Frankreich zu etablieren.
Nach zwei Jahren in der Rue Marcadet bekamen Serge und ich ein Schreiben vom Vermieter. Wir könnten die Wohnung kaufen, und wenn wir sie nicht wollten, mussten wir innerhalb eines Jahres ausziehen. Kaufen kam finanziell nicht infrage, also machten wir uns auf die Suche nach einer neuen Bleibe. Wir waren todunglücklich, es tat uns in der Seele weh, diesen Ort zu verlassen, in den wir so viel Liebe gesteckt hatten. Zum Glück bekamen wir überraschend schnell ein Angebot für ein wunderschönes Appartement nur ein paar Straßen weiter, in der Rue des Martyrs, direkt an der Place des Abbesses. Ich wusste sofort: Hier möchte ich wohnen. Es war ein Traum: drei große Zimmer, eine entzückende Küche und ein winziges Bad mit Badewanne. Die Fenster reichten bis auf den Boden und ein kleiner Austritt bot einen Blick auf Paris: zur Linken Sacré-Cœur, zur Rechten die Stadt. Ich sah mich schon nach dem Aufstehen hinaustreten: Guten Morgen, Paris! Diese Chance musste ich nutzen. Die Wohnung kostete fast siebentausend Francs – ein Vermögen –, aber sie war es mir wert. Einmal im Leben wollte ich so wohnen, also gönnte ich mir und Serge diesen Luxus. Das Appartement war besser in Schuss als die alte Wohnung und wir konnten uns bald daran machen, die Räume nach unserem Geschmack einzurichten. Eine Freundin nähte uns lange weiße Vorhänge, die vor den acht Fenstern bis auf den Boden hingen. Serge besorgte auf dem Trödel ein altes napoleonisches Bett, das er akribisch neu bemalte, inklusive Goldverzierung. Mehr brauchte es nicht, denn die Wohnung war ganz pur am allerschönsten. Wie ein Mensch, der von Natur aus schön ist, so war auch dieses Appartement schon mit leeren Zimmern perfekt. Ich fühlte mich darin wie eine Prinzessin, genoss mein Leben in vollen Zügen. In dieser Zeit wuchs auch unsere gemeinsame Leidenschaft fürs Essengehen. Wann immer wir ein bisschen Geld übrig hatten, besuchten wir eins der vielen kleinen Restaurants in unserem Viertel und schlemmten. Wir schauten nicht aufs Geld und lebten, als hätten wir auf ewig genug. Wie Hochstapler, so sagte ich immer zu Serge: »Comme des imposteurs.«
Pas de problème
Von einem Tag auf den anderen war Schluss mit dem Hochstapeln. Serge hatte mir verschwiegen, dass seine Firma finanzielle Probleme hatte, und plötzlich war kein Geld mehr da. Wir hatten auf zu
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