Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit
daß ich Artikel aus der Zeitung ausschneide. Diesen aber habe ich nur so herausgefetzt und meinem Mann laut vorgelesen.
»Hör dir das an, ja! Die Besucher des Grand Canyon verbringen dort durchschnittlich vier Stunden, wovon sie aber nur zwanzig Minuten in die Schlucht hinabblicken. Und dreimal darfst du raten, wo sie die übrige Zeit verbringen?«
»In der Schlange vor den Toiletten?« fragte er.
»Nein«, rief ich triumphierend. »Sie kaufen Mitbringsel und Andenken.«
Inzwischen hoffe ich, daß jetzt bald Schluß ist mit den langen Tiraden meines Mannes über dieses Thema. Er behauptet, ich gehe morgens aus dem Hotel, schnüffele in die Luft, sage: es riecht nach Andenkenläden – und verschwinde dann für drei Tage.
Er verzeiht es mir nie, daß wir mal in New York im UNO-Gebäude waren und nicht genügend Zeit dafür hatten. Wir konnten also entweder den Sicherheitsrat über die Kriegsgefahr im Mittleren Osten debattieren hören oder im Andenkenladen die reizenden hölzernen Serviettenringe aus Kenia kaufen.
Und nun mal im Ernst: Entzückende hölzerne Serviettenringe aus Kenia sind etwas, was man abends in den Fernsehnachrichten nicht zu sehen bekommt.
Das Schlimme bei den Männern ist, daß sie Sehenswürdigkeiten so besichtigen, als gälte es sich auf ein Quiz vorzubereiten. Mein Mann bleibt stehen und liest Wort für Wort, was auf Gedenktafeln oder Inschriften steht. Er drückt auch immer auf den Knopf der Sprechgeräte, die einem erklären, was man gerade besichtigt, und er entschuldigt sich bei der Stimme, wenn er zwischendurch mal hustet. Aber noch schlimmer ist, wenn er Fragen stellt, die eine ganze Gruppe so lange aufhalten, daß nachher im Andenkenladen alle Rückenkratzer ausverkauft sind.
Ich begreife nicht, wie jemand geschlagene 35 Minuten die Akropolis in Athen anschauen kann. Sie läuft weder weg, noch verändert sie die Farbe. Aber die handgeklöppelten Spitzentücher, die von den Frauen am Fuße des Berges auf das Gras gebreitet werden, die gehen weg wie die warmen Semmeln.
Vor ein paar Jahren waren wir im afrikanischen Busch am Fuße des Kilimandscharo. Mein Mann und ich saßen vor dem Zelt am Lagerfeuer, als eine Massai-Frau langsam über die Felder näherkam. Wir sahen, daß sie einen Korb voller Armbänder, Ringe und Halsketten bei sich hatte. Mein Herz schlug schneller, und ich nahm die Kreditkarte aus dem Täschchen meiner Wolljacke.
Endlich mal ein Andenkenladen, der Hausbesuche machte. Mein Mann hatte keinen Blick für die Frau.
Er betrachtete den Sonnenuntergang.
Gepäckmärsche
Wenn ich verreise, packe ich bis auf drei Kleider den gesamten Inhalt meines Schrankes ein.
Es brauchen keine Lieblingskleider zu sein, die ich mitnehme, sie brauchen mir nicht einmal zu gehören. Sie brauchen mir auch nicht zu passen. Aber im Fall der Fälle müssen sie vorhanden sein – irgendwo in meinen achtzehn Koffern.
Einmal trat ich in einer Talkshow zusammen mit einer Reise-Expertin auf. Sie hieß Polly Esther und war jemand, der seine Schuhe mit den Strümpfen ausstopfte, Wäsche mitnahm, in der man schwimmen gehen konnte, nur fahlbraune Kleider einpackte und ihre Röcke um mit Weihnachtspapier gefüllte Kartonrollen wickelte.
Polly bekam alles, was sie für drei Wochen brauchte, in ein kleines Übernachtköfferchen und behauptete, sie habe bereits ein Vermögen an Dienstmännern gespart, da die für jeden vom Gepäckkarussell gehobenen Koffer einen Dollar forderten.
Vorige Woche verbrachte ich zum ersten Mal einen Urlaub, in dem ich acht Tage lang aus einem kleinen Übernachtköfferchen lebte.
Ich muß sagen, Polly hat doch einiges unerwähnt gelassen.
Alles Durchsichtige brauchte irgendein Deckmaterial, um der Mitwelt diesen oder jenen Anblick zu ersparen.
Wer seine Östrogenpillen in die Halskette fädelt und sich umhängt, spart kaum Platz.
Ein breites Hansaplast, als trägerloses Oberteil getragen, ist nicht immer das Richtige.
Man nehme nur dann fahlbraune Kleider mit, wenn man auch fahlbraunen Nagellack einpackt, der sich beim Auslaufen nicht davon abhebt.
Wer mit leichtem Gepäck reist, muß sich ständig vor Augen halten, daß er nach menschlichem Ermessen keinen seiner Mitreisenden je wiedersehen wird.
Ein Schirm in der Hand ist besser, als zwei Reisebüroangestellte, welche ihre Köpfe darauf verwetten, daß es im Sommer in Los Angeles nicht regnet.
Hosen, die sitzenbleiben, wenn man selbst aufsteht, erregen nur ungewollte Aufmerksamkeit.
Reist man mit einem
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