Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Familiengericht mit einer Hand festgehalten, die so weich und zart war wie Seide. Jetzt konnte ich kaum mehr glauben, dass dies die gleichen Hände waren.
Es gab wenig, was ich tun konnte, und im Gefühl dieser Machtlosigkeit bewegte ich mich auf meinen 20. Geburtstag zu.
Der kalte, trockene Wind, der über meine Wangen strich und den Saum meines Mantels an meine Beine presste, störte mich nicht, wenn ich abends zur Bar ging, denn meine Arbeit war mein neues Steckenpferd.
Eines Abends bestellte mich Kuramochi-san, ein neuer Gast, zu sich an den Tisch. Ich begrüßte ihn lächelnd und mein Herz begann sofort, schneller zu schlagen. Es war Liebe auf den ersten Blick, er gefiel mir ungemein, obwohl er gar nicht besonders gut aussah. Er erzählte mir, dass er der Chef eines Maklerbüros in Maikata war, in der Präfektur Osaka. An diesem Tag war er geschäftlich in Sakai gewesen und zum Trinken in die Bar gekommen, weil sein Hotel in der Nähe lag. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut und er vermittelte mir ein Gefühl von Sicherheit.
»Wollen wir noch etwas essen gehen, wenn die Bar zumacht?«
»Gerne, wir schließen ja bald.«
»Ich bezahle meine Rechnung und warte dann draußen auf dich.«
»Ja, ist gut, ich komme gleich nach.«
Kuramochi-san bezahlte und verließ die Bar, ohne das letzte Lied Sotto Oyasumi – »Schlafe sanft« – zu hören. Sobald das Lied zu Ende war, schlüpfte ich in meinen Mantel und ging nach draußen.
»Entschuldige bitte, dass du hier in der Kälte warten musstest.«
»Kein Problem. Was möchtest du denn gern essen, Shoko? Sag einfach, worauf du Lust hättest.«
»Und du, Shacho 25
› Hinweis
?«
Shacho: Firmenchef (CEO, Aufsichtsratsvorsitzender etc.).
»Nun, ich kenne mich hier in der Gegend ja nicht so gut aus. Lass uns einfach dahin gehen, wo es dir gefällt, Shoko.«
»Gut, gehen wir.«
Ich führte ihn in ein Family-Restaurant 26
› Hinweis
, in dem ich damals oft war. Als ich dann irgendwann nach Hause wollte, bat er mich: »Wenn ich jetzt allein zurück ins Hotel gehe, dann werde ich mich dort nur langweilen. Willst du nicht mitkommen, dann können wir uns noch etwas unterhalten? Ich will nichts anderes, wirklich.«
Family-Restaurant: Restaurants mit bodenständiger Küche für die ganze Familie. Die Preise sind moderat und oft haben diese Restaurants sehr lange Öffnungszeiten.
»Wie bitte?«
»Möchtest du mit in mein Hotel kommen?«
»Eigentlich lieber nicht.«
»Auch wenn ich dir verspreche, dass ich nichts Schlimmes mache.«
»Ehrlich?«
»Ehrlich!«
»Na gut«, gab ich nach und streckte ihm meinen kleinen Finger zum Schwur hin.
»Wie es die kleinen Kinder machen«, lachte er und hakte seinen kleinen Finger in den meinen ein.
»Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen.«
Er lachte so sehr, dass seine Schultern wackelten, auch nachdem wir unsere kleinen Finger schon getrennt hatten.
Obwohl ich ihn gerade erst kennengelernt hatte, war ich mir ziemlich sicher, dass er mich nie anlügen würde.
In seinem Zimmer angekommen redeten wir stundenlang und vergaßen dabei völlig die Zeit. Shacho war Makler, und da ich von meinem Vater einiges über diese Branche erfahren hatte, fanden wir jede Menge Gesprächsstoff. Das gefiel ihm, und so erzählte er mir Amüsantes über seine nächsten Projekte, seine Träume für die Zukunft und von Gesprächen mit seinen Mitarbeitern. Es tat mir unglaublich gut, mich einfach ganz normal mit jemandem unterhalten zu können, ich fühlte mich völlig entspannt.
»In der Bar waren Dutzende von Mädchen, aber du hast mir auf den ersten Blick gefallen. Also habe ich dich ausgesucht.«
»Danke.«
»Sag mal, Shoko, magst du eigentlich Sex?«, fragte er plötzlich ziemlich unvermittelt.
»Natürlich mag ich Sex«, antwortete ich ehrlich.
Er lachte. »Eine gute Antwort. Du gefällst mir wirklich. Willst du nicht meine Geliebte werden?«
»Na ja, so gut kenne ich dich doch noch gar nicht.«
»Ich würde dir auch versprechen, mich gut um dich zu kümmern.«
Ich schwieg einen Moment lang. Währenddessen nahm er meine Hand und sah mir ernst in die Augen.
»Ich gebe dir so viel Geld, wie du brauchst, und ich kaufe dir auch eine Wohnung. Lass uns morgen zusammen zurückfahren und überlass den Rest einfach mir. Ich hatte schon viele Frauen, aber dieses Mal meine ich es ernst. Was denkst du?«
Das war eine echte Chance, mit der ich nicht gerechnet hatte, und trotzdem war ich zögerlich und mein Herz wurde
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