Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
Shoko, meine Freundin.«
»Freut mich.«
Der Meister war etwas älter als wir, seine Augen leuchteten vor Energie, und er lächelte freundlich.
»Wow, das sieht ja toll aus, schau mal, Shoko!«
Yukie hatte das Hemd ihres Freundes hochgehoben, um sich die frische Tätowierung anzusehen. Die Linien waren noch geschwollen und an einigen Stellen trat Blut hervor. Man konnte ahnen, wie schmerzhaft es gewesen sein musste, aber dafür war die Tätowierung so schön, dass ich sie nur staunend betrachtete. Das war der Moment, in dem ich mich dann entschied.
»Sensei? Würden Sie mich auch tätowieren?«
»Ist das dein Ernst?«, fragte Yukie verdutzt.
»Ja, ich möchte unbedingt, dass Sensei mich tätowiert.«
»Hm, wenn du dich einmal zu etwas entschieden hast, dann lässt du dich ja sowieso nicht davon abbringen. Aber wir müssen jetzt gehen, denn wir haben noch etwas vor. Ich rufe dich dann später an.«
»Tut mir leid«, sagte ich und legte meine Handflächen entschuldigend vor dem Gesicht zusammen. Yukie lachte, als sie das sah, und winkte mir vom Eingang aus noch einmal zu. Dann wandte ich mich wieder an Sensei.
»Ist das möglich?«
»Um ehrlich zu sein, habe ich gleich, als ich dich gesehen habe, gedacht, dass ich dich gern tätowieren würde. Aber das kann ich natürlich nicht vorschlagen.«
»Wirklich?«
»Ich habe da ein Motiv, das bisher noch niemand bekommen hat und das wunderbar zu dir passen würde.«
»Kann ich es sehen?«
Er zog aus einer Schublade, in der viele Skizzen lagen, eine heraus und zeigte sie mir.
»Das ist Jigoku Tayuu 33
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. Sie hat wirklich einmal gelebt, in der Muromachi-Zeit 34
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, hier, in Sakai. Frauen wie sie mussten in den Vergnügungsvierteln bis zum Umfallen arbeiten oder den Blick eines Danna 35
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auf sich ziehen, der sie dann freikaufte. Das war ein hartes Leben.«
Jigoku Tayuu: eine Kurtisane höchsten Ranges. Eine Tayuu empfing nur die reichsten und mächtigsten Fürsten.
Muromachi-Zeit: 1333 bis 1568, eine Periode voller Bürgerkriege, in der aber auch die Teezeremonie entwickelt wurde und die rauen Samurai Künsten wie beispielsweise dem Noh-Theater näherkamen.
Danna: Gönner oder Patron, mit dem eine Tayuu – oder eine Geisha – eine eheähnliche Beziehung eingeht. Der Danna ist meist verheiratet.
»Warum finden Sie, dass das etwas für mich wäre?«
»Wie soll ich das sagen, das kommt von deiner Ausstrahlung … Schau, diese Tayuu trägt viel Haarschmuck. Das ist ein Zeichen, dass sie die Nummer eins im Vergnügungsviertel war.«
Ich hatte auch immer gehofft, irgendwann die Nummer eins eines Mannes zu sein, den ich liebte, aber ich war immer Nummer zwei gewesen. Und selbst wenn der Mann, mit dem ich zusammen war, mir sagte, dass er mich liebte, war ich immer unsicher, ob ich wirklich die Richtige für ihn war. Da ich überhaupt kein Selbstvertrauen hatte, blieb ich immer an verheirateten Männern hängen, wenn sie mir nur sagten, dass sie mich liebten. Alles, was ich tat, war ziellos und unentschlossen, das hing mir selbst zum Hals raus. Und ich wusste, dass es wichtig war, jetzt einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und mich zu ändern.
»Ich will das hier.«
»Möchtest du keine anderen Motive sehen?«
»Nein.«
»Gut, dann machen wir das.«
Ich nickte entschlossen, vereinbarte die nötigen Termine und verließ das Studio. Zu Hause lief ich sofort ins Badezimmer und betrachtete meinen Rücken im Spiegel. Die Tätowierung war nur für mich, für niemand anderen. Und mir ging es nicht nur darum, einen Schlussstrich unter die Beziehung mit Tanaka zu ziehen, sondern etwas tief in mir zu verändern.
Am kommenden Freitag zog ich also Sachen an, die ruhig schmutzig werden konnten, und fuhr zu Senseis Studio. Zuerst wollte ich nur eine Tätowierung auf dem Rücken haben, dann entschied ich mich aber doch noch für zwei Drachen auf Oberarmen, Schultern und Brust. Ich bat Sensei, gleich mit der Arbeit anzufangen.
Die Skizze wurde zuerst auf die Haut übertragen, dann wurden die Umrisslinien gestochen. Die Maschine vibrierte dabei leicht, und der ständige Druck auf die Haut schmerzte. Es fühlte sich an, als würde die Haut mit einem stumpfen Rasiermesser eingeschnitten werden.
Insgesamt dauerte eine Sitzung drei Stunden, mit drei Pausen von jeweils zehn Minuten.
»Machen wir Schluss für heute«, sagte Sensei und hielt die Maschine an.
»Vielen Dank.«
»Du machst das sehr gut. Wir sehen uns dann
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