Ich, Tochter eines Yakuza (German Edition)
morgen.«
»Ja, bis morgen.«
Ich gab Sensei das Geld, lief nach Hause, zog mich um und ging in die Bar. Entsprechend Senseis Terminplan besuchte ich ihn jeden Tag.
Nachdem ich schon einige Male zum Tätowiermeister gegangen war, traf ich eines Tages Otsuka-san und teilte ihm mit, dass ich jetzt die Beziehung zu Tanaka beenden würde.
»Da er immer noch mit der anderen zusammen ist, ist es vielleicht ein guter Moment«, meinte er.
Unmittelbar danach sprach ich mit Tanaka. Er hatte zwar immer wieder ernsthaft behauptet, dass er mit der anderen Schluss machen würde, hatte es aber dennoch bis heute nicht getan. Ich ließ keine Ausreden mehr gelten, akzeptierte keinerlei Rechtfertigung. Irgendwann in diesem Gespräch schlug er mir ins Gesicht, aber daran war ich ja mittlerweile gewöhnt. Ich wich keinen Schritt zurück, wie sehr er auch brüllte oder was er auch tat. Schließlich gab er auf und händigte mir meinen Wohnungsschlüssel aus.
Die Tätowierung war endlich fertig. Das Ergebnis leuchtete in prächtigen Farben auf meinem Rücken, beiden Schultern bis unter die Brüste und bis zur Mitte meiner Arme. Ich spürte, dass es eine wirklich gute Entscheidung gewesen war.
In der Zeit, als die Tätowierung noch ganz frisch war, musste ich beim Ausziehen von T-Shirts und Hemden immer sehr aufpassen, da das Blut, das noch aus den Wunden kam, am Stoff festklebte und so manchmal etwas Haut mit abriss. Ich trug regelmäßig eine Salbe auf, dennoch brannte die Haut anfänglich, dann fing sie an schrecklich zu jucken und schälte sich ab wie nach einem Sonnenbrand. Am liebsten hätte ich mich ausgiebig gekratzt, aber ich vermied es, um meine Tätowierung nicht zu beschädigen.
Nach einiger Zeit ließ der Juckreiz nach. Jetzt konnte ich meine vollkommene Tätowierung genießen, ich fühlte mich erfüllt und zufrieden wie noch nie zuvor.
Und ich war befreit für die Zukunft.
7 . S CHLUSSSTRICH
Seit der Tätowierung hatte sich meine Einstellung zur Arbeit verändert. Bis dahin hatte ich vieles nur getan, weil ich musste, hatte mich oft nur treiben lassen. Jetzt nahm ich alles viel ernster, fand einen neuen Sinn in allem – im Leben an sich, in der Arbeit. Und das motivierte mich enorm und machte mich zufrieden.
Zu dieser Zeit lernte ich Takamitsu kennen, einen Yakuza, der vier Jahre älter war als ich.
»Takamitsu 36
› Hinweis
ist ein schöner Vorname.«
Takamitsu: geschrieben mit den Schriftzeichen »hoch« und »Licht«.
»Ja, aber eigentlich ist es mein Nachname.«
»Oh, entschuldige! Ich dachte, es wäre dein Vorname.«
»Das macht nichts, das denken die meisten.«
»Ach, und deswegen nennen dich alle ›Taka‹?«
»Ja, du kannst mich auch gern Taka nennen, Shoko.«
Er schenkte mir ein so freundliches Lächeln, dass mein Herz zu klopfen begann und die Zeit stehen zu bleiben schien.
Er wollte gerne mehr über mich erfahren, doch nach all der Gewalt, die ich von Männern erlebt hatte, hatte ich Angst, mich wieder mit einem Mann einzulassen. Nach einiger Zeit erzählte ich ihm jedoch, was alles passiert war.
Taka schreckte das nicht ab, und so trafen wir uns regelmäßig und gingen miteinander aus. Wir hatten viele gemeinsame Gesprächsthemen und waren häufig mittags essen, im Kino und danach in einem Family-Restaurant, wir machten Ausflüge mit dem Auto oder gingen Schuhe oder Kleider kaufen. Manchmal fühlte ich mich traurig, aber er beobachtete mich nur still und sagte nie etwas. Taka hatte diese innere Wärme, die mein zugefrorenes Herz mit der Zeit auftauen ließ.
Als wir eines Tages im Auto saßen, meinte er plötzlich: »Hast du nicht früher hier gewohnt? Lass uns hinfahren!«
Er sprach von dem Haus, das uns schon lange nicht mehr gehörte.
»Da will ich gar nicht hin!«
»Du kannst nicht immer nur vor deiner Vergangenheit weglaufen. Sonst wirst du nie einen Schlussstrich darunter ziehen können.«
Takamitsus Tonfall war zum ersten Mal schärfer geworden.
Es war, als hätte er in die finstersten Winkel meiner Seele geblickt, ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Da vorne links …«
Als wir vor dem Haus standen, stieg ich aus und streckte meine Hand nach dem Eisentor aus, Heimweh überfiel mich.
Nichts hatte sich verändert. Ob es den Karpfen wohl gut ging? Wurden sie auch regelmäßig gefüttert?
Ich hätte so gerne den Kirschbaum noch einmal berührt, aber von hier aus konnte ich ihn nicht erreichen, wie weit ich meine Hand auch ausstreckte.
Als ich noch in die Grundschule
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