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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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verzweifelt versuchen, ins Verborgene zu sehen, das Dunkel, die Nacht zu durchdringen, um herauszufinden, aus welcher Richtung die Beute kommen wird, die jetzt zum Jäger geworden ist.
    Er ist einer und keiner. Er ist der König.
    Der König hat keine Fragen, nur Antworten. Der König hat keine Neugierde, er hat Gewissheit.
    Die Neugierde überlässt er den anderen, all jenen, die es danach verlangt, all jenen, denen sie in irgendeiner Weise ins Gesicht geschrieben steht, in die zuckenden Bewegungen, das Stöhnen, die Todesangst, die manchmal so dicht ist, dass man sie riechen kann.
    Der Duft des Lebens ist so komplex und doch so leicht zu erkennen.
    Der Duft des Lebens liegt in den sommerlichen Straßenbahnen voller Menschen mit zu vielen Achseln und zu vielen Händen. Er liegt im Geruch nach Essen und nach Katzenpisse, der an manchen Ecken die Gurgel packt. Er liegt im scharfen Geruch von Rost und Salzwasser, die das Metall verschlingen, im Geruch nach Desinfektionsmitteln und der herben Witterung des Schießpulvers. Aber auch und vor allem in der düsteren Vorahnung des Endes, dort, wo sich zwei ewige Fragen stellen, »Wann?« und »Wo?«.
    Wann wird jener letzte Atemzug sein, zurückgehalten in einem animalischen Keuchen, hinter fest zusammengebissenen Zähnen, in dem Versuch, ihn nicht herauszulassen, weil es nach ihm keinen weiteren mehr geben wird, nie mehr. Wann und zu welcher Tages-oder Nachtzeit, mit Blick auf eine sowieso stehen gebliebene Uhr, wird diese letzte Sekunde verstreichen und danach keine mehr, den Rest der Zeit der Welt überlassend, die auf anderen Wegen sich weiterdreht. Wo, in welchem Bett, Autositz, Aufzug, Sessel, an welchem Strand, in welchem Hotelzimmer wird dieser scharfe Schmerz das Herz durchzucken, wird es sehnlichst und vergeblich auf einen weiteren Schlag warten, nach jenem Innehalten, das immer länger 245

    und länger wird, unendlich lang. Manchmal geht alles so rasch, nur dieses letzte Aufzucken und dann unendliche Ruhe, jedoch keine Antwort, weil in diesem blendenden Blitz keine Zeit mehr bleibt zu verstehen, manchmal nicht einmal mehr zu fühlen.
    Der Mann weiß, was er zu tun hat. Er hat es bereits getan und er wird es weiter tun, solange es notwendig ist.
    Es gibt so viele Masken dort draußen, getragen von Menschen, die weder diese noch andere verdienen.
    Was hast du, Vibo? Warum siehst du mich so an? Stimmt etwas nicht?
    Der Mann ist zuversichtlich, sein Mund lächelt, seine Augen glänzen, seine Stimme beschützt.
    »Nein, Paso, es ist nichts. Ich betrachte dich nur, weil du so schön bist. Und schon bald wirst du es noch mehr sein.«
    Oh nein, wirklich? Sag mir nicht, du …
    »Stopp. Es ist verboten, darüber zu sprechen. Das Geheimnis der Geheimnisse, erinnerst du dich?«
    Ah, ein Geheimnis der Geheimnisse? Dann darf man nur bei Vollmond davon sprechen …
    Der Mann lächelt bei der Erinnerung an ihre Kinderspiele. In den seltenen Momenten, in denen jener Mann nicht da war, um ihre Fantasie mit dem einzigen Spiel zu beschmutzen, das ihnen erlaubt war.
    »Genau, Paso. Und schon bald wird wieder Vollmond sein. Sehr bald …«
    Der Mann dreht sich um und geht zur Tür. Die Musik im Nebenzimmer hat aufgehört. Das Schweigen, das jetzt herrscht, erscheint wie die natürliche Fortsetzung jener Musik.
    Wo gehst du hin, Vibo?
    »Ich bin gleich wieder zurück, Paso.«
    Er wendet sich noch einmal um und blickt mit einem Lächeln auf den ausgestreckten Körper in seinem kristallenen Sarg zurück.
    »Erst muss ich noch einen Anruf machen …«
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    Sie waren alle in der Zentrale von Radio Monte Carlo und warteten, wie jeden Abend. Die Entwicklung der Geschichte hatte die Stimmung gären lassen und die Zahl der Personen, die sich normalerweise um diese Uhrzeit im Gebäude befanden, verdreifacht. Nun kam Inspektor Gottet hinzu mit ein paar Männern, die verschiedene Computer installiert und ans Netz angeschlossen hatten, welche sehr viel leistungsfähiger und höher entwickelt waren als die des Senders.
    Bei ihnen war ein junger aufgeweckter Typ, so um die fünfundzwanzig, mit kurzen braunen Haaren, blonden Strähnchen und einem Piercing im rechten Nasenloch. Er fing an, mit einer Reihe von Disketten und CD-ROMs herumzuhantieren, und bewegte seine Finger so blitzschnell über die Tastatur, dass Frank, der hinter dem Stuhl stand, Mühe hatte, ihnen zu folgen.
    Der Typ hieß Alain Toulouse, war aber in Hackerkreisen unter dem Decknamen »Pico« bekannt. Als Frank ihm in seiner

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