Ich Töte
dieses bonbon-au-chocolat sei nahezu perfekt.
Schade, dass er in einem Zeitungskiosk im Zentrum von Aix-en-Provence saß und nicht in einer Postkutsche der Wells Fargo in Richtung Tombstone eilte.
»Ich brauchte eine Information. Ich suche einen Plattenladen namens Disque à Risque.«
»Da kommen Sie aber ein paar Jahre zu spät. Den Laden gibt’s nicht mehr.«
Nur mit Mühe konnte Hulot seinen Ärger verbergen. Tattoo zündete sich eine filterlose Gauloises an und begann augenblicklich zu husten. Dem krampfigen Zucken seines Körpers nach zu urteilen, schien der Krieg schon ziemlich lange zu dauern. Es war leicht, den mutmaßlichen Sieger vorauszusagen, aber im Moment hielt der Alte noch gut durch. Er deutete mit der Hand auf den Korso.
»Der war auf der anderen Straßenseite des Mirabeau, dreihundert Meter weiter, rechter Hand. Jetzt ist da ein Bistro.«
»Erinnern Sie sich nicht mehr an den Namen des Betreibers?«
»Nein, aber sein Sohn hat dort ein Lokal eröffnet. Wenn Sie zu ihm gehen, wird er Ihnen sämtliche Informationen geben. Café des Arts et des Artistes.«
»Danke, Tattoo. Und rauchen Sie nicht so viel.«
353
Beim Weggehen dachte er, dass er wohl nie erfahren würde, ob der nachfolgende Hustenanfall als Dankeschön für den guten Rat gemeint war oder als heisere Aufforderung, sich zum Teufel zu scheren. Gott sei Dank hatte sich die Spur nicht sofort verlaufen. Was sie in der Hand hatten, war ohnehin schon so flüchtig, dass es eher dem Rauch aus einer von Tattoos Zigaretten ähnelte als einem wirklichen Indiz. Mit Morellis Hilfe würde er über eine Recherche bei der Handelskammer den Besitzer des Lokals schon herausfinden, aber das würde Zeit kosten, und Zeit war das Einzige, das sie nicht im Überfluss hatten.
Er dachte an Frank, der sicher gespannt bei Radio Monte Carlo auf einem Stuhl saß und darauf wartete, dass das Telefon läuten und jene Stimme aus der Vorhölle ein neues Opfer ankündigen würde.
Ich töte …
Beinah ohne es zu wollen, lief er schneller. Er erreichte die blaue Markise mit der weißen Aufschrift Café des Arts et des Artistes. Den vielen Gästen nach zu schließen, schien das Geschäft gut zu gehen.
Draußen war kein Tisch frei.
Er ging rein und es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Wegen des Besucherandrangs herrschte hinter der Theke reges Treiben. Ein Barkeeper und ein paar Mädchen im Alter von etwa fünfundzwanzig Jahren mühten sich mit der Zubereitung von Aperitifs und Snacks ab.
Bei einem blonden Mädchen, das gerade eine Flasche Weißwein öffnete, bestellte er einen Kir Royal. Kopfnickend nahm sie die Bestellung entgegen. Kurz darauf stellte sie das Glas mit der rosafarbenen Flüssigkeit vor ihm ab.
»Könnte ich wohl mit dem Besitzer sprechen?«, meinte er, während er das Glas an seine Lippen führte.
»Da drüben ist er.«
Das Mädchen wies auf einen zirka dreißigjährigen Mann mit schütterem Haar, der gerade aus einer Glastür mit der Aufschrift
»Privat« im hinteren Teil des Lokals kam. Nicolas fragte sich, in welcher Eigenschaft er auftreten und seine Fragen präsentieren sollte. Als der Besitzer vor ihm stand, hatte er sich bereits für die offizielle Variante entschieden.
»Entschuldigen Sie …«
»Ja?«
Er zeigte seine Dienstmarke.
»Kommissar Hulot von der Sûreté Publique des Fürstentums 354
Monaco. Ich wollte Sie um einen Gefallen bitten, Monsieur …«
»Francis. Robert Francis.«
»Nun, Monsieur Francis. Wir haben erfahren, dass sich hier einmal ein Schallplattenladen namens Disque à Risque befand, der Ihrem Vater gehörte.«
Der Mann sah sich verstört um. In seinen Augen tauchte eine Reihe von Fragen auf.
»Schon, aber … ich meine, den Laden gibt es seit Jahren nicht mehr …«
Hulot lächelte ihm aufmunternd zu. Er änderte jetzt seinen Ton und sein Auftreten.
»Seien Sie beruhigt, Robert. Weder für Sie noch für Ihren Vater sind Probleme im Anmarsch. Aber obwohl so viel Zeit vergangen ist, könnte dieser Laden der Schlüssel für die Lösung des Falls sein, den wir gerade untersuchen. Ich müsste nur Ihren Vater sprechen und ihm ein paar Fragen stellen, wenn das möglich ist.«
Robert Francis entspannte sich. Er drehte sich zu dem blonden Mädchen hinter der Theke und zeigte auf das Glas in Nicolas´ Hand.
»Gib mir auch so einen, Lucie.«
Während er auf den Drink wartete, wandte er sich wieder dem Kommissar zu.
»Also, mein Vater hat vor ein paar
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