Ich Töte
Jahren das Geschäft aufgegeben. Ein Plattenladen ist nicht gerade sehr lukrativ. Na ja, Unsummen hat er nie eingebracht, aber am Schluss war es ein echtes Desaster. Und dann hat dieser alte Sturkopf, obwohl er mit Raritäten handelte, mehr davon in seine Privatsammlung aufgenommen als zum Verkauf angeboten. Das machte ihn zu einem ausgezeichneten Sammler, aber zu einem schlechten Geschäftsmann …«
Hulot fühlte sich erleichtert. Francis hatte von seinem Vater im Präsens gesprochen. Das hieß, er lebte noch. Sein »wenn das möglich ist« von vorhin hatte sich tatsächlich auf den unglückseligen Fall bezogen, dass dies nicht mehr möglich wäre.
»Wir haben zwei und zwei zusammengezählt und beschlossen, den Laden zu schließen, und ich habe das hier eröffnet …«
Mit einer kreisenden Handbewegung wies er auf das überfüllte Lokal.
»Man kann nicht gerade behaupten, dass der Wechsel eine schlechte Entscheidung war.«
»Eine ganz andere Geschichte. Und ich garantiere Ihnen, die Austern, die wir servieren, sind superfrisch und nicht historisch wie 355
die Schallplatten meines Vaters.«
Lucie schob ihrem Boss ein Glas hin. Francis nahm es und hob die flute in Richtung des Kommissars, der mit derselben Geste antwortete.
»Auf Ihre Ermittlungen.«
»Auf Ihr Lokal und auf die Raritäten.«
Er nahm einen Schluck, dann stellte Francis das eiskalt beschlagene Glas auf den Tresen.
»Mein Vater ist um diese Uhrzeit mit Sicherheit zu Hause. Sind Sie über die Autobahn von Monte Carlo gekommen?«
»Ja.«
»Gut. Dann müssen Sie nichts anderes tun, als wieder den Schildern zu folgen. In der Nähe des Autobahnzubringers liegt das Novotel. Gleich hinter dem Hotel steht ein zweistöckiges Backsteinhäuschen mit Garten und Rosenbüschen. Da wohnt mein Vater. Sie können es gar nicht verfehlen. Darf ich Ihnen zuvor etwas anbieten?«
Hulot hob lächelnd das Glas.
»Das hier reicht völlig.«
Er streckte ihm die Hand hin, und Francis ergriff sie.
»Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Freundlichkeit, Monsieur Francis. Sie wissen ja gar nicht, wie sehr.«
Als er aus dem Bistro ging, sah er eine Bedienung an der Muscheltheke Austern und andere Meerestiere öffnen. Er hätte gerne überprüft, ob die von Francis beschworene Frische der Wahrheit entsprach, aber er hatte keine Zeit.
Er nahm vielmehr dieselbe Straße, die er vorher schon gegangen war. Aus dem Zeitungskiosk kamen weiterhin heftige Hustenanfälle.
Die Schachspieler waren verschwunden, und der Buchladen war geschlossen. Beide Tätigkeiten wurden offensichtlich von der Mittagspause unterbrochen.
Auf dem Weg zum Auto kam er wieder an der Bar vorbei, in der er Kaffee getrunken hatte. Unter der Platane war der Roncaille-Kater durch den Hulot-Kater ausgetauscht worden. Absolut friedlich saß er da und bewegte langsam den schwarzen, buschigen Schwanz hin und her, während er die schläfrigen Augen über die Welt und ihre Bewohner schweifen ließ.
Hulot dachte, es gebe keinen Grund, die Revanche der Katze nicht als gutes Vorzeichen zu deuten.
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Jean-Paul Francis drehte den Deckel des kleinen Sprühgeräts aus Plastik zurecht und drückte mehrmals den Pumpenknopf, um ausreichend Druck zum Versprühen des Insektizids zu bekommen. Er nahm das Gerät am Griff und ging zum roten Rosenstrauch, der von einem grünen Maschendrahtzaun umfriedet war. Er untersuchte die kleinen Zweige der Blütenstiele. Sie waren voller Ungeziefer, das eine Art weißen Flaum auf der Rinde gebildet hatte.
»Das bedeutet Krieg«, sagte er mit feierlicher Stimme.
Er drückte einen Hebel hinten an der Plastikdose, und aus der Düse des Geräts kam der feine Strahl eines Wasser-Insektizid-Gemischs. Er begann unten und arbeitete sich an den Stängeln entlang hoch, das Gemisch gleichmäßig auf dem Strauch verteilend.
Wie vermutet stank das Insektizid fürchterlich. Er beglückwünschte sich zu seiner Idee, eine Maske aus gehärteter Gaze zu tragen, um das Mittel nicht inhalieren zu müssen, über das es auf dem Etikett hieß: »Bei Einnahme kann es zu toxischen Reaktionen kommen. Nicht in Reichweite von Kindern aufbewahren«.
Beim Lesen der Anwendungshinweise hatte er gedacht, wenn es für Kinder giftig ist, dann kann er sich in seinem Alter ruhig eine Dosis in die Venen jagen, ohne Schaden zu nehmen.
Während er sprühte, sah er aus den Augenwinkeln, wie ein kleiner, weißer Peugeot knapp hinter dem Gartentor vorfuhr. Es kam nicht häufig vor, dass ein Wagen genau hier
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