Ich Töte
Immobilienfirma übergeben, von der es an Weinbauern aus der Gegend verpachtet wurde. Lebte ganz einsam da oben auf dem Berg, wie ein Eremit. Da glaub ich gerne, dass ihm irgendwann mal die Sicherung durchgebrannt ist und er dann getan hat, was er getan hat …«
»Drei Personen sagten Sie?«
»Genau. Die beiden, den Mann und die Frau, hat man völlig verkohlt aufgefunden. Den Körper des Jungen dagegen konnten sie unverbrannt bergen, als sie das Feuer gelöscht hatten. Und zum Glück wurde der Brand rechtzeitig entdeckt, sonst wäre er auf den halben Berg übergesprungen.«
Er wies auf den jüngeren Mann, mit dem er gekommen war.
»Bertots Vater, der damals bei der Feuerwehr war, hat mir erzählt, nachdem sie das Feuer gelöscht hatten, sind sie ins Haus gegangen und haben den Körper des Jungen in einem so schrecklichen Zustand vorgefunden, dass es ihnen lieber gewesen wäre, er wäre auch verkohlt, wie die anderen zwei. Stellen Sie sich mal vor, der Körper des Vaters war so verbrannt, dass die Kugel, mit der er sich das Hirn weggepustet hatte, in seinem Schädel geschmolzen war.«
»Was heißt das, ›in einem so schrecklichen Zustand‹?«
»Na ja, Bertots Vater meinte, er habe kein Gesicht mehr gehabt, wenn Sie verstehen, was ich meine, als hätten sie es ihm vom Kopf geschabt. Und jetzt erzählen Sie mir nicht, dass der nicht verrückt war, dieser Typ …«
Hulot spürte, wie sich seine Eingeweide die Magenwand hochzogen, wie die Kletterpflanzen an diesem nackten Gemäuer.
Heiliger Jesus, der Junge hatte kein Gesicht mehr, als hätten sie es ihm vom Kopf geschabt!
Wie Bilder aus der Hölle erschienen vor seinen Augen eine Reihe gehäuteter Gesichter. Jochen Welder und Arijane Parker. Allen Yos377
hida. Gregor Yatzimin. Er sah ihre ins Nichts gerichteten, lidlosen Augen, wie eine ewige Verurteilung desjenigen, der sie umgebracht hatte, und desjenigen, der es nicht zu verhindern gewusst hatte.
Er glaubte, eine verzerrte Stimme zu hören, die ihm mit grauenvollem Stereoeffekt in beide Ohren diese zwei verdammten Worte zuflüsterte:
Ich töte …
Trotz der warmen Luft an diesem Sommernachmittag merkte er, wie er in seiner ungefütterten Baumwolljacke erschauderte. Ein Rinnsal aus Schweiß lief von der rechten Achsel zum Gürtel hinunter.
»Und was ist dann passiert?«, fragte er mit plötzlich veränderter Stimme.
Der Mann bemerkte das gar nicht und hielt es für die typische Reaktion eines dieser verweichlichten Touristen auf die Bluttat, von der er erzählte.
»Na ja, der Tathergang war ziemlich klar, deshalb hat man, nachdem alle Alternativen ausgeschlossen worden waren, den Fall als Doppelmord und Selbstmord zu den Akten gelegt. Natürlich war das nicht gerade die beste Werbung für La Patience …«
»Gibt es keine Erben?«
»Genau das meinte ich vorhin. Kein einziger Erbe, deshalb ist das Landgut in öffentlichen Besitz übergegangen. Es stand zum Verkauf, und das steht es immer noch, aber wer sollte so etwas schon wollen, nach all dem, was passiert ist? Nicht mal geschenkt würde ich es nehmen. Die Gemeinde hat es der gleichen Firma zur Verwaltung überlassen, die sich um die Verpachtung des Landes gekümmert hat und immer noch kümmert. Mit dem Erlös finanziert sie die Instandhaltungskosten und die Kosten für sämtliche Mühen. Ich komme ab und zu hierher, damit nicht das Unkraut das, was vom Haus übrig ist, auch noch auffrisst.«
»Und wo wurden die Opfer begraben?«
Hulot versuchte, seiner Frage den Ton der harmlosen Neugier eines einfachen Mannes zu verleihen, aber bei diesem Typen musste man sich gar nicht anstrengen. Er war jetzt so in Schwung, dass er seine Geschichte wahrscheinlich auch zu Ende erzählt hätte, wenn Hulot gegangen wäre und ihn stehen lassen hätte.
»Oh, ich glaube auf dem Friedhof unten im Dorf, oberhalb vom Hafen, auf dem Hügel. Wenn Sie in der Gegend waren, müssen Sie ihn auf jeden Fall gesehen haben.«
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Hulot erinnerte sich dunkel an einen Friedhof in der Nähe vom Parkplatz, auf dem er vorher gestanden hatte.
»Und wie hießen die Leute, die hier gewohnt haben?«
»Ach, daran kann ich mich gar nicht richtig erinnern, so was wie Le … Le irgendwas, Legrand oder Le Normand, glaub ich.«
Hulot sah demonstrativ auf die Uhr.
»Mann, ist ja ganz schön spät geworden. Nicht zu glauben, wie die Zeit rast, wenn man solche Geschichten hört. Meine Freunde werden sich schon fragen, wo ich geblieben bin. Ich danke Ihnen, dass Sie mir das alles
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