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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Sohn. Ich war dort drin …«
    Er wies mit der Hand auf das kleinere Gebäude, aus dem Hulot ihn hatte rauskommen sehen.
    »Beim Rausgehen sah ich ihn, den Vater meine ich, von hinten vor dem Grab stehen. Der Junge lehnte neben dem Geräteschuppen an der Mauer und sah unten ein paar Kindern beim Fußballspielen zu. Als er mich kommen hörte, drehte er den Kopf in meine Richtung. Er war ein ganz normaler Junge, ziemlich hübsch würde ich sagen, hatte aber seltsame Augen, ich weiß nicht, wie ich sagen soll
    … das treffendste Wort wäre wohl traurig, genau, traurig, denke ich.
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    Die traurigsten Augen, die ich je gesehen habe. Er muss die Gelegenheit, dass der Vater so abgelenkt war, genutzt haben, um hierher zu kommen, angezogen von den Stimmen der anderen Kinder. Ich trat auf ihn zu, um ihn anzusprechen, doch der Vater kam wie eine Furie herbei. Er rief den Jungen beim Namen … Darf ich Ihnen etwas sagen?«
    Der Wärter machte eine Pause, als wolle er jedes noch so kleine Staubkörnchen von jenen Erinnerungen wischen. Er starrte ihn an, als sehe er nicht ihn, sondern durchlebe jenen Augenblick nochmals.
    »Der Ton seiner Stimme, mit der er ›Daniel‹ sagte, war die des Mannes, der bei einer Exekution ›Feuer‹ brüllt. Das Kind hatte sich zum Vater gedreht und zu zittern angefangen. Es zitterte wie Espenlaub. Legrand sagte nichts. Er sah seinen Sohn einfach mit weit aufgerissenen Augen an, völlig irre. Er bebte vor Zorn im selben Maß, wie sein Sohn vor Schreck zitterte. Ich weiß nicht, was sonst bei denen zu Hause los war, ich weiß nur, dass sich in diesem Moment der Junge vor Angst in die Hose machte !«
    Der Wärter senkte für einen Moment den Blick auf den Boden.
    »Wie Sie sich denken können, hat es mich deshalb überhaupt nicht gewundert, als ich Jahre später erfuhr, dass Legrand dieses Blutbad angerichtet hatte. Ich glaube, Sie wissen, was ich meine …«
    »Soweit ich informiert bin, hat er sich umgebracht, nachdem er das Dienstmädchen und den Sohn getötet und das Haus angezündet hat.«
    »Genau. Oder zumindest haben das die Ermittlungen ergeben. Es gab keinen Grund, jemand anderen zu verdächtigen, und das Verhalten des Mannes bekräftigte eindeutig diese Annahme. Aber diese Augen …«
    Er sah ins Leere, den Kopf schüttelnd.
    »Diese irren Augen werde ich nie aus dem Kopf kriegen.«
    »Gibt es noch andere Sachen, die Ihnen einfallen? Erinnern Sie sich an weitere Details?«
    »Oh ja, seitdem sind viele seltsame Dinge passiert. Ziemlich viele, würde ich sagen.«
    »Das heißt?«
    »Na ja, der Diebstahl der Leiche zum Beispiel. Dann die Sache mit den Blumen …«
    Hulot dachte erst, er habe sich verhört.
    »Welche Leiche?«
    »Seine.«
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    Der Mann wies mit dem Finger auf den Grabstein von Daniel Legrand.
    »Ungefähr ein Jahr nach der Geschichte wurde eines Nachts sein Grab geplündert. Als ich morgens kam, sah ich, dass das Tor aufgebrochen, der Grabstein zur Seite geschoben und der Sarg geöffnet war. Von der Leiche des Jungen keine Spur. Die Polizei verdächtigte einen perversen Leichenschänder, der …«
    »Wenn ich mich nicht irre, hatten Sie auch etwas von Blumen erwähnt …«, unterbrach ihn Nicolas.
    »Ach genau, das. Ein paar Monate nach der Beerdigung bekam ich einen maschinengeschriebenen Brief. Man hat ihn hier abgegeben, weil er an den Friedhofswärter von Cassis adressiert war. In dem Brief war Geld. Kein Scheck, wohlgemerkt, sondern Scheine, die ins Briefpapier eingewickelt waren.«
    »Und was stand darin?«
    »Das Geld war der Lohn für die Pflege der Gräber von Daniel Legrand und der Mutter. Kein einziges Wort über den Vater oder die Gouvernante. Der Verfasser des Briefes bat mich, die Grabsteine sauber zu halten und immer für frische Blumen zu sorgen. Das Geld kam auch noch, nachdem die Leiche entwendet worden war.«
    »Bis heute?«
    »Den letzten Umschlag habe ich vergangenen Monat bekommen.
    Wenn sich nichts ändert, müsste der nächste schon bald da sein.«
    »Haben Sie den Brief aufgehoben? Oder einen der Umschläge?«
    Der Wärter zuckte mit den Schultern. Er schüttelte leicht den Kopf.
    »Ich glaube nicht. Der Brief, das ist ziemlich lange her. Da müsste ich zu Hause nachsehen, aber ich glaube nicht. Und wegen der Umschläge, weiß nicht, aber irgendeinen werde ich schon noch haben. Auf jeden Fall kann ich Ihnen den geben, den ich bald kriege, wenn ich ihn kriege.«
    »Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar. Und ich wäre Ihnen auch dankbar, wenn Sie

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