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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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nehmen Sie, und an der Gabelung fahren Sie rechts. Der Weg endet bei La Patience.«
    »Danke.«
    Wortlos nahm der Alte seinen Korb mit den Seeigeln und ging weiter.
    Endlich verspürte Hulot Aufregung über die Spur, der er nachging. Zügig stieg er die Gasse wieder hoch, mit dem Ergebnis, dass jetzt er keuchte, als er das Auto erreichte. Er folgte der Wegbeschreibung, die, so mürrisch sie auch vorgetragen worden war, doch perfekt zutraf, und fuhr auf dem Schotterweg in Richtung des Felsmassivs, das Cassis überragte. Die mediterrane Vegetation aus Lärchen und Olivenbäumen verdeckte fast völlig eine Art Canyon, in dem die Eisenbahntrasse verlief. Während er die Steinbrücke überquerte, die der Alte ihm beschrieben hatte, rannte ein hellbrauner Hund, ein entfernter Verwandter der Labradore, bellend ein Stück hinter dem Peugeot her.
    Als sie an der Weggabelung ankamen, hielt er seine Arbeit offensichtlich für getan, gab Jagd und Gekläffe auf und trottete in Richtung eines Guts zu seiner Linken davon.
    Hulot folgte dem Weg, der immer weiter hinaufführte, gesäumt von einem Wald hochstämmiger Bäume, die teilweise den Blick aufs Meer versperrten. Die bunten Blumenflecken waren, je weiter er aus der Stadt gefahren war, zunehmend verschwunden und durch das Grün der Nadelbäume und der Sträucher und den intensiven Geruch des Unterholzes, vermischt mit dem des Meeres, ersetzt worden.
    Er folgte der Straße weitere Kilometer, doch so langsam begann 373

    er, den Alten zu verdächtigen, dass er ihm den Weg falsch beschrieben habe, aus dem einfachen Spaß heraus, ihn völlig sinnlos in der Gegend herumfahren zu lassen. Vielleicht saß er mit irgendeinem Jean oder René oder Armand zu Hause, aß seine Seeigel und amüsierte sich über den dummen Touristen, der in diesem Augenblick wie ein Kreisel die Berge rauf- und runterkurvte.
    Während er das dachte, machte die Straße eine Kurve, und nachdem er sie hinter sich gelassen hatte, sah er La Patience.
    Im Geiste dankte er Jean-Paul Francis und seiner magischen Kiste. Sollte er jemals in den Besitz der Platte von Robert Fulton gelangen, dann wäre es nur allzu berechtigt, sie ihm zurückzugeben. Er fuhr mit heftig klopfendem Herzen die Straße entlang auf das Anwesen zu, das sich deutlich gegen den Felsen abzeichnete, an den es sich anzulehnen schien.
    Er passierte einen Torbogen aus Ziegelsteinen, der von Kletterpflanzen überwuchert war, und kam dann auf die Zufahrt zu dem großen, zweistöckigen Gehöft. Während er sich näherte, wurde das Triumphgefühl, das ihn beim Anblick des Landguts ergriffen hatte, ganz langsam von Enttäuschung überschattet. Unkraut hatte fast vollständig den Kiesweg überwuchert und nur teilweise zwei seitliche Streifen freigelassen, die Fahrspuren von Autoreifen zu sein schienen. Er fuhr weiter und hörte die Sträucher am Unterboden kratzen, ein Geräusch, das in dieser Stille etwas seltsam Unheimliches an sich hatte.
    Jetzt, da sich die Perspektive verändert hatte, konnte er sehen, dass die Rückwand des Hauses vollkommen verfallen war. Fast das ganze Dach war eingebrochen, und nur Teile des vorderen Abschnitts standen noch. Dunkle Balken streckten sich wie die dunklen Finger von Gospelsängern in den Himmel, ragten hervor aus den verbliebenen Resten des alten Dachgerippes, von dem die Ziegeln heruntergestürzt und den Boden unter sich begraben hatten. Die Mauern waren abgebröckelt und mit Ruß bedeckt, um zu bezeugen, dass das Haus einem wütenden Brand zum Opfer gefallen war, der es fast völlig verwüstet und lediglich die Fassade wie eine künstliche Theaterkulisse zurückgelassen hatte.
    Das Ganze musste vor ziemlich vielen Jahren passiert sein, denn Unkraut und Kletterpflanzen hatten genügend Zeit, um sich zurückzuholen, was schon immer ihr Eigentum gewesen war. Es schien, als würde die Natur ganz langsam und geduldig ein feines Maschennetz weben, um die Wunden zu verschließen, die der Mensch ihr zugefügt 374

    hatte.
    Hulot parkte den Wagen auf dem Hof und stieg aus. Er sah sich um. Die Aussicht von hier war einmalig. Man blickte in das ganze Tal mit seinen abgelegenen Häusern und Weinbergen im Wechsel mit Flecken wilder Vegetation, die immer lichter wurden, bis sie Cassis erreichten, das weiß und schön an der Küste lehnte, wie eine Frau auf dem Balkon, die das Meer und seine Grenze zum Horizont betrachtet. Da waren noch die alten Strukturen eines Gartens, längst verrostete Teile schmiedeeiserner Konstruktionen,

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