Ich Töte
Stapellaufvorrichtung untergebracht, und zwar bei Cap Fleuri, ein paar Kilometer von Fontvieille entfernt. Dort schliefen, etwas spartanisch zwar, aber funktional, auch die Bediensteten und die Schwerarbeiter, die rund um die Uhr das Boot unter Kontrolle hatten und so zu verhindern wussten, dass neugierige Augen gewisse Details ausspähten, die geheim bleiben sollten. Beim Segeln, wie beim Autorennen, 457
konnte eine revolutionäre Idee über Sieg und Niederlage entscheiden. Ideen hatten aber den Nachteil, dass sie leicht zu kopieren waren, und so versuchte jeder, die Ausstattung der Boote, dieser Formel 1 des Segelsports, möglichst geheim zu halten.
Boote hatten natürlich den Vorzug, dass der größte Teil der Aerodynamik, wenn man es so nennen will, unter Wasser lag. Aber in der Welt der Menschen passieren menschliche Dinge.
Es gab Sauerstoffgeräte, es gab Unterwasserkameras, und es gab skrupellose Typen auf der Welt. Wem der Kiel nicht auf Grundeis ging – Hudson McCormack gratulierte sich selbst zu dieser gelungenen Formulierung –, würde gewisse Ängste als übertriebene Vorsicht ansehen.
Diese Dinge konnten aber durchaus passieren in einem Ambiente, in dem es, weit über die Ehre des Sieges hinaus, um ziemlich handfeste wirtschaftliche Interessen ging. Nicht umsonst hatte jedes Begleitboot ein ARO-Atemgerät an Bord, welches nicht mit Luft, sondern mit reinem Sauerstoff arbeitete und im Zweiten Weltkrieg entwickelt und bei U-Boot-Angriffen benutzt worden war. Es machte sich die Möglichkeiten zur Rückverwandlung von Kohlendioxyd nach einem System zunutze, das es erlaubte, an feindliche Schiffe heranzukommen, ohne sich durch aufsteigende Luftblasen zu verraten …
Die Holzbeine, Hakenarme und schwarzen Augenklappen waren nicht mehr unterwegs. Schon lange wehte die Flagge mit dem Totenschädel und den gekreuzten Knochen nicht mehr vom höchsten Mast, aber die Freibeuterei ging weiter. Ihre Söhne lebten noch und kreuzten immer noch über die sieben Weltmeere.
Es gab keine Könige und Königinnen mehr, die Karavellen spendierten, nur Sponsoren, die Millionen von Dollars verteilten. Andere Männer, andere Schiffe, aber die Motive waren noch dieselben. Nur ein raffiniertes System von Wettervorhersagen hatte den spuckefeuchten Daumen zur Bestimmung der Windrichtung ersetzt.
Die Equipe der Try for the Sun, welcher er angehörte, war auf der großen Yacht mit den Farben ihres Sponsors untergebracht, die am Kai von Fontvieille lag. Sie hatten sich aus Gründen der Repräsentation für diese Lösung entschieden. Der Geldgeber dieses Abenteuers, ein multinationaler Tabakkonzern, wollte für sein Label einen maximalen Werbeeffekt erzielen. Hudson fand, ehrlich gesagt, dass es sein gutes Recht sei, angesichts der Summe, die er lockergemacht hatte.
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Die Fotos der einzelnen Teammitglieder waren bereits in den wichtigsten Wochenzeitschriften der Branche erschienen. Es gab kein Segel- oder Yachtmagazin, das nicht über ihr Boot berichtet hätte und über die hocherfahrenen Mannschaftsmitglieder, die jeder für sich interviewt worden waren.
Bei ihrer Ankunft in Monte Carlo waren sie, vermutlich gegen die Zahlung horrender Summen, für Werbeseiten in den wichtigsten Tageszeitungen engagiert worden. Mit einer gewissen Genugtuung hatte Hudson registriert, dass ihnen die Bilder auf dem bescheidenen Zeitungspapier durchaus gerecht wurden und nicht wie die üblichen Fahndungsfotos aussahen. Gerade sein eigenes Konterfei fand er ausgesprochen gelungen. Sein Gesicht blickte mit einem offenen, natürlichen Lächeln von der Seite herab, ganz anders als diese ausdrucksleeren Gesichter auf Hochzeitsfotos.
Andererseits hatte er einfach so ein Gesicht und so ein Lächeln, das in der Regel das weibliche Geschlecht nicht ganz gleichgültig ließ.
Der Galaabend, von dem er gerade kam, war mal wieder der beste Beweis gewesen.
Im Sporting Club d’Été hatte die offizielle Präsentation des Segelbootes und der Mannschaft stattgefunden. Alle Beteiligten trugen ihre bunte Einheitskluft, die Hudsons Meinung nach viel eleganter war als die Smokings der Männer und die Abendkleider der Frauen.
Irgendwann hatte der Moderator des Abends um die Aufmerksamkeit der Gäste gebeten: professionelle Lichtregie, ein Trommelwirbel des Schlagzeugers, und dann waren sie von zwei Seiten in den Saal gelaufen und hatten sich vor dem Publikum aufgereiht, während auf einer Videoleinwand hinter ihnen die Bilder vom Training der Try for the Sun
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