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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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bevor sie ihn abholen kam. Das Abendkleid und die hochhackigen Schuhe schienen für den weiteren Verlauf des Abends nicht unbedingt angemessen, wie auch immer er enden würde. Wahrscheinlich hatte ihre gesunde, rechtschaffene, weibliche Eitelkeit andere Maßstäbe, die mehr Zeit erforderten, um erfüllt zu werden.
    Er sah auf die Uhr, zuckte mit den Schultern und beschloss, dass Zeit keine Rolle spielte. Er würde den ganzen nächsten Tag freihaben und das gestattete ihm, auch mal faul zu sein.
    Bis zu einem gewissen Punkt …
    Hudson McCormack zündete sich noch eine Zigarette an. Seine Anwesenheit in Monte Carlo sah auch andere Aufträge vor, die nicht unmittelbar mit der Regatta zu tun hatten. Die klassischen zwei Fliegen mit einer Klappe. Er musste mit gewissen Bankdirektoren sprechen und ein paar andere Leute treffen, die ihre guten Gründe hatten, in Europa zu sein. Leute, die für seine Zukunft sehr, sehr wichtig waren. Mit einer Hand strich er sich über das noch glatte Kinn, das er anlässlich dieses Weltereignisses sorgfältig rasiert hatte. Hudson McCormack wusste genau, was er tat, und war sich der Risiken absolut bewusst. Jeder, der in ihm nur den hübschen, amerikanischen Typen sah, beging einen groben Fehler. Hinter seinem einnehmen-den Äußeren verbarg sich ein brillantes und extrem praktisch veranlagtes Gehirn.
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    Vor allem das: extrem praktisch veranlagt.
    Er wusste sehr genau, dass er nicht das Zeug dazu hatte, Staranwalt zu werden. Nicht, weil er die Fähigkeit nicht besaß. Er hatte einfach keine Lust zu warten. Er hatte keine Lust, sich ein Bein auszureißen bei dem Versuch, Verbrecher aus den heimischen Gefängnissen zu holen, in die man sie mit guten Gründen eingesperrt hatte.
    Schon seit geraumer Zeit bezweifelte er, ob er das ihm angemessene Studium absolviert hatte, denn er hatte überhaupt nicht vor, sich sein Leben lang für den Abschaum der Gesellschaft, aus welcher Schicht er auch kommen mochte, abzurackern.
    Er wollte nicht warten, bis er fünfundsechzig war, um dann mit vertrottelten, stinkreichen Alten Golf zu spielen und immer darauf achten zu müssen, dass ihm beim Schlag nicht sein Gebiss ins green fiel. Die Dinge, die ihn interessierten, wollte er jetzt, mit dreiunddreißig, da Körper und Geist ihn noch bei der Erfüllung seiner Wünsche unterstützen konnten.
    Hudson McCormack hatte einen anderen Pfeil auf den Bogen seiner Lebensphilosophie gespannt. Er war nicht gierig. Die Villen, die Hubschrauber, die Unsummen an Geld, die Macht interessierten ihn nicht. Diese Dinge bedeuteten für ihn eher eine Art Gefängnis als den Ausdruck von Erfolg. Diese Manager von kosmischen Dimensionen, die zwei Stunden pro Nacht schliefen und ihre Tage an diversen Telefonen verbrachten, um Aktien und anderes zu kaufen und zu verkaufen, lösten bei ihm tiefes Mitleid aus. Fast alle landeten sie in der Reanimation für Infarktpatienten, ohne zu wissen, wie sie dorthin geraten waren. Und sie fragten sich, warum es ihnen mit ihrer ganzen Macht und mit ihrem ganzen Geld nicht gelungen war, sich noch ein bisschen Zeit zu kaufen.
    Der junge Rechtsanwalt Hudson McCormack fand keinerlei Befriedigung darin, über das Schicksal anderer zu bestimmen. Es genügte ihm, sein eigener Herr zu sein.
    Und ein Segelboot entsprach voll und ganz seinem Lebensideal.
    In seinem Fall ging es tatsächlich um den Wind in den Haaren und das Geräusch des Buges, der die Wellen teilt, und die Freiheit, den Kurs selbst zu bestimmen, einen beliebigen, je nach Laune des Moments …
    Er warf wieder die Zigarette ins Meer. In der Stille konnte er das leichte Zischen hören, mit dem sie erlosch.
    Um sein Vorhaben zu verwirklichen, brauchte er Geld. Viel Geld. Keine enorme Summe, das schien ihm nicht notwendig, aber 464

    einen ansehnlichen Betrag durchaus. Und da gab es nur eine Möglichkeit, sich diesen schnell zu beschaffen. Das Gesetz umgehen. Das war seine Formulierung. Eine kleine Spitzfindigkeit. Nicht das Gesetz verletzen, sondern es umgehen. Auf dem Seil laufen, dicht am Rande des Abgrunds, um sich bei Bedarf umdrehen zu können mit dem Unschuldsgesicht dessen, der fragt: »Wer, ich?« Es bestand ein Risiko, da konnte er sich nichts vormachen, aber er hatte es nach allen Seiten hin abgewogen. Er hatte die Angelegenheit geprüft, lang und breit, von oben nach unten und diagonal: Alles in allem war es ein akzeptables Risiko. Natürlich spielte auch diese Drogengeschichte mit rein, und das war ein Thema, über das man

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