Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
Vom Netzwerk:
diesem, wo er jede einzelne Sekunde, die verstrich, so laut dröhnen hörte, als stecke sein Kopf in einer riesigen Glocke.
    Tavernier rettete sich nur durch das, was er sagte.
    »Ach ja, ich habe mein Leben genossen, das können Sie mir aufs 495

    Wort glauben. Ganz im Gegensatz zu meinem Bruder, der in der Villa nebenan gewohnt hat, dort drüben, wo das Dach durch die Zypressen lugt.«
    Er gab sich mit einem Mal so vertraulich wie jemand, der ein Geheimnis verrät, das nur er selbst kennt. Etwas, das kaum zu glauben ist.
    »Das Haus dort hat meine verrückte Schwägerin einem wildfremden jungen Mann vererbt, nur weil er ihren Hund gerettet hatte.
    Einen Hund, der weniger wert war als jeder Baum, an den er pisste, verstehen Sie? Ich weiß nicht, ob Sie je von dieser verrückten Geschichte gehört haben. Und wissen Sie, wer dieser junge Mann war?«
    Frank wusste es, er wusste es ganz genau. Und er hatte weder Zeit noch Lust, sich die ganze Geschichte noch einmal anzuhören.
    Ohne zu wissen, was er riskierte, packte Tavernier ihn erneut am Arm.
    »Ein Mörder, ein Serienmörder! Der, der hier in Monte Carlo Massen von Leuten umgebracht und gehäutet hat wie Tiere. Denken Sie nur, einem wie dem hat meine Schwägerin ein Haus von diesem Wert vermacht …«
    Sie hingegen haben das Ihre an einen Wohltäter der Menschheit vermietet! Wenn es einen Nobelpreis für Dummheit gäbe, würde dieser alte Affe ihn Jahr für Jahr aufs Neue erhalten.
    In Unkenntnis dieses Urteils stieß Tavernier einen Seufzer aus.
    Anscheinend hatte ihn eine Welle von Erinnerungen gepackt.
    »Ja, diese Frau hatte meinen Bruder wirklich um den Verstand gebracht. Nicht, dass sie nicht schön gewesen wäre … sie war schön wie ein plein beim Roulette, wenn ich diesen Vergleich benutzen darf. Aber genauso gefährlich. Sie brachte einen dazu, immer weiter zu spielen, ich weiß nicht, ob Sie verstehen, was ich meine. Die beiden Häuser hier haben wir uns damals gemeinsam bauen lassen, Mitte der sechziger Jahre. Zwei gleiche Häuser, eins neben dem anderen. Doch damit waren die Gemeinsamkeiten auch schon vorbei.
    Ich habe hier gewohnt, mein Bruder und seine Frau da drüben. Jeder hatte sein eigenes Leben. Ich habe allerdings immer gefunden, dass mein Bruder wie in einem Gefängnis lebte: Kugel am Bein und die ganze Zeit damit beschäftigt, die Launen seiner Frau zu befriedigen.
    Und Launen hatte sie zur Genüge, mein Gott, und ob sie die hatte!
    Stellen Sie sich vor, sie hat sogar …«
    Frank fragte sich, warum er dastand und sich das Geschwätz die496

    ses Ex-Libertins mit den Ruinen in der Unterhose anhörte, statt ins Auto zu springen und nach Nizza zum Flughafen zu rasen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund hatte er das Gefühl, dass dieser Mann dabei war, etwas Wichtiges mitzuteilen. Und genau das tat er.
    Mitten in sein leeres Gefasel hinein sagte Tavernier etwas so Wichtiges, dass Frank in unglaubliche Exaltationen geriet und in die abgrundtiefste Trauer, als vor seinem geistigen Auge ein großes Flugzeug in den Himmel stieg, mit Helena Parkers traurigem Gesicht, das Frankreich unter sich verschwinden sah.
    Er schloss die Augen. Er war so bleich geworden, dass der alte Möchtegern-Charmeur einen Schreck bekam.
    »Was ist los mit Ihnen? Fühlen Sie sich nicht wohl?«
    Frank blickte ihn an.
    »Doch, im Gegenteil, ich fühle mich bestens.«
    Tavernier stand der Zweifel ins Gesicht geschrieben. Frank schenkte ihm ein Lächeln, das der Alte missverstand. Dieser Dummkopf hätte sich niemals träumen lassen, dass er ihm soeben offenbart hatte, wo Jean-Loup Verdier sich versteckt hielt.
    »Vielen Dank und auf Wiedersehen, Monsieur Tavernier.«
    »Ich drück Ihnen die Daumen, junger Mann. Ich hoffe, Sie erwischen sie noch. Aber wenn Sie es nicht mehr schaffen, denken Sie daran, es gibt viele Frauen auf der Welt.«
    Mit einem zerstreuten Nicken gab Frank ihm Recht und ging. Er war gerade beim Tor angekommen, als er die Stimme des Alten noch einmal hörte.
    »Ah, hören Sie, junger Mann!«
    Frank drehte sich um in dem Wunsch, ihn zur Hölle zu schicken.
    Was ihn davon abhielt, war ein Gefühl von Dankbarkeit für das, was er ihm soeben ungewollt verraten hatte.
    »Ja, Monsieur Tavernier?«
    Der Alte lächelte breit.
    »Sollten Sie zufällig ein hübsches Haus an der Küste suchen …«
    Mit triumphierender Geste zeigte er auf die Villa in seinem Rücken.
    »Hier ist eines!«
    Frank ging durch das Tor, ohne zu antworten. Dann stand er einen Moment mit

Weitere Kostenlose Bücher