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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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hatte.
    »Beausoleil.«
    »Beausoleil?«, wiederholte Roncaille ungläubig.
    »Genau. Dieser Hurensohn von Jean-Loup Verdier hat seine Vil
    la in dieser ganzen Zeit nie verlassen.«
    500

56
    Pierrot nahm den Plastikbecher mit Coca-Cola, den Barbara ihm hinhielt, und begann so zu trinken, als schäme er sich, dass man ihm dabei zusah.
    »Möchtest du noch mehr?«
    Pierrot schüttelte den Kopf. Er gab ihr den leeren Becher zurück und wandte sich mit knallrotem Gesicht wieder zum Tisch, wo er dabei war, einen Haufen CDs zu ordnen.
    Barbara gefiel ihm, aber gleichzeitig schüchterte sie ihn ein. Der Junge hatte sich in sie verliebt, was sich vor allem in heimlichen Blicken äußerte, in seinem Verstummen und Verschwinden, wenn sie auftauchte. Sie brauchte ihn nur anzureden, schon wurde er rot wie eine Tomate. Der jungen Frau war Pierrots Gefühlslage schon vor einiger Zeit aufgefallen. Es war die Liebe, wenn man es so nennen wollte, eines Kindes, und sie stand mit Pierrots ganzem Wesen in Einklang, doch wie alle Gefühle musste sie respektiert werden.
    Barbara wusste, wie viel Liebe in diesem merkwürdigen Jungen steckte, den die Welt immer ein wenig erschreckte. Er war von einer Offenheit und Treuherzigkeit, wie sie normalerweise nur Kindern und Hunden eigen ist. Der Vergleich mochte ein wenig beleidigend sein, aber er traf die echte und tiefe Zuneigung, die einfach existiert, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.
    Einmal hatte Barbara eine kleine Margerite auf dem Mixer gefunden. Als sie begriffen hatte, wer der heimliche Schenker dieser einfachen Feldblume war, hatte sie eine tiefe Zärtlichkeit gespürt.
    »Möchtest du noch ein Brötchen?«, fragte sie Pierrot, der ihr den Rücken zuwandte.
    Der Junge schüttelte erneut den Kopf, ohne sich umzudrehen. Es war Mittagszeit, und sie hatten von »Stars ’n’ Bars« ein Tablett mit belegten Brötchen und Sandwiches kommen lassen. Nach der Geschichte mit Jean-Loup schienen die Räume von Radio Monte Carlo, sah man von den Stimmen und der Musik ab, die durch die Mikrofone tönten, zum Reich des Schweigens geworden zu sein. Alle bewegten sich so lautlos, als seien sie aus Luft. Der Sender war von einem Heer von Journalisten bestürmt worden und wurde auch weiterhin belagert wie Fort Alamo von den Mexikanern. Die Mitarbeiter wurden verfolgt, gehetzt und beschattet. Bei jedem von ihnen war irgendwann ein Mikrofon vor der Nase aufgetaucht, eine Kamera im Gesicht, ein Journalist vor der Haustür. Tatsächlich konnte man die 501

    Hartnäckigkeit der Medien nach dem, was geschehen war, ja auch verstehen.
    Jean-Loup Verdier, einer der Protagonisten von Radio Monte Carlo, hatte sich als Psychopath und Mörder entpuppt und war noch immer auf freiem Fuß. Seine Anwesenheit lag wie ein gespenstischer Schatten über dem Fürstentum Monaco. Am Tag, nachdem die Identität des Serienmörders herausgekommen war, hatten sich die Einschaltquoten dank der krankhaften Neugier der Leute und dank des Medienrummels praktisch verdoppelt.
    Noch vor kurzem hätte Robert Bikjalo, der alte Robert Bikjalo, beim Anblick der steil angestiegenen Zuhörerzahlen einen Salto mortale mit Schraube gemacht. Jetzt verrichtete er seine Arbeit wie ein Roboter, rauchte wie ein Schlot und war ansonsten so einsilbig wie alle. Raquel beantwortete Anrufe mit der mechanischen Stimme einer Telefonvermittlerin. Barbara gelang es nicht, innezuhalten und nachzudenken, ohne dass ein heftiger Drang zu weinen in ihr aufstieg.
    Der Präsident selbst rief nur an, wenn es unbedingt notwendig war.
    In diese gedrückte Atmosphäre war dann noch die Nachricht von Laurents tragischem Tod beim Raubüberfall vor zwei Tagen geplatzt. Die Stimmung hatte den Nullpunkt erreicht und die Anwesenden endgültig zu Schatten ihrer selbst werden lassen.
    Am meisten betroffen von der Geschichte war jedoch Pierrot.
    Er hatte sich in ein beunruhigendes Schweigen zurückgezogen und beantwortete Fragen nur noch mit Nicken oder Kopfschütteln.
    Hielt er sich im Sender auf, so war es eine stumme Anwesenheit, in der seine Aufgaben erledigte wurden, als gäbe es ihn gar nicht. Stundenlang verschanzte er sich im Archiv, so dass Barbara schon mehrmals hinuntergegangen war, um sich zu vergewissern, dass ihm nichts fehlte. Seine Mutter war tief beunruhigt. Zu Hause saß er die ganze Zeit mit Kopfhörern über den Ohren an der Stereoanlage und hörte Musik, als könne er sich vollständig vom Rest der Welt abschotten.
    Er hatte nicht mehr gelächelt. Und er

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