Ich Töte
Schloss und Riegel, und der Fall konnte mit voller Berechtigung die statistische Zahl der Ermittlungen mit erfolgreichem Abschluss vergrößern.
Seit Jean-Loups Verhaftung und der Begegnung mit Parker am Flughafen von Nizza waren vier Tage vergangen. Er hatte diese ganze Zeit mit Helena und ihrem Sohn verbracht, ohne Zeitungen zu lesen, ohne Nachrichten zu sehen, einzig in dem Versuch, diese ganze Geschichte ein Stückchen hinter sich zu lassen.
Doch auf die Dauer war das undenkbar.
Er hatte seine Wohnung im Parc Saint-Roman verlassen und war mit Helena und Stuart in einem kleinen, diskreten Hotel im Hinterland untergeschlüpft, einem Ort, an dem sie sicher waren vor der Aufdringlichkeit der Journalisten, die geradezu unermüdlich Jagd auf ihn machten. Er und Helena hatten es nicht für angemessen gehalten, im selben Zimmer zu schlafen. Noch nicht. Das würde schon noch kommen. Er hatte die Tage damit zugebracht, sich auszuruhen und mit Stuart vertraut zu werden, um eine Beziehung zu ihm aufbauen zu können. Die offizielle Bestätigung, dass er sein Versprechen, nach Disneyland zu fahren, halten würde, hatte eine ideale Voraussetzung geschaffen. Und die Aussicht, ihren Urlaub um zehn Tage zu erweitern und auf einem Hausboot den Canal du Midi entlangzuschippern, hatte den Boden noch gefestigt. Stuart war fasziniert gewesen, als Frank ihm erzählt hatte, dass sie durch Schleusen fahren und im Boot schlafen würden und dass er das Boot selber steuern dürfe. Jetzt blieb nur noch zu warten, dass der Zement abband.
Frank gab sich einen Ruck und klopfte an die Tür.
Roncailles Stimme forderte ihn auf einzutreten. Als Frank in den Raum trat, wunderte er sich nicht, Durand dort vorzufinden. Was ihn hingegen erstaunte, war die Anwesenheit von Doktor Cluny.
Roncaille empfing ihn mit seinem üblichen Public-Relations-Lächeln, das inzwischen wesentlich spontaner und natürlicher wirkte als noch einige Tage zuvor. Der Polizeichef wusste genau, wie sich ein vollkommener Gastgeber in solch einem Moment der grandeur 592
zu verhalten hat. Durand saß mit seinem üblichen Gesichtsausdruck da und grüßte ihn mit einer knappen Handbewegung.
»Schön, dass Sie da sind, Frank, nur Sie haben noch gefehlt.
Kommen Sie, setzen Sie sich. Doktor Durand ist auch gerade eingetroffen.«
Roncaille hatte einen so mondänen Ton an sich, dass Frank sich fast wunderte, auf seinem Schreibtisch kein Tablett mit Gläsern und einer Flasche Champagner zu sehen. Wahrscheinlich gab es die irgendwann anders, in einem anderen Moment und an einem anderen Ort.
Der Polizeipräsident kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und setzte sich. Frank nahm in dem Sessel Platz, der ihm angewiesen worden war. Er wartete schweigend. Für ihn gab es nichts mehr zu sagen. Doch gab es einiges, was er gern gewusst hätte.
»Da wir nun alle da sind, ist es wohl das Beste, gleich zur Sache zu kommen. Es gibt einige Aspekte dieses Falls, über die Sie noch nicht informiert sind, vor allem hinsichtlich der Geschichte von Daniel Legrand alias Jean-Loup Verdier. Was wir herausbekommen haben, ist in groben Zügen Folgendes.«
Roncaille lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.
Frank wunderte sich, dass Durand ihm erlaubte, den Ton anzugeben, doch eigentlich war ihm der Grund vollkommen egal.
Roncaille ließ Durand an seinem Wissen teilhaben mit der Natürlichkeit und dem Wohlwollen, mit denen seinerzeit ein Heiliger seinen Mantel mit einem Armen geteilt hatte.
»Jean-Loups Vater, Marcel Legrand, war ein hohes Tier im französischen Geheimdienst. Er hat die Ausbildung geleitet, als Experte, der sich auf alles verstand, was ein Angehöriger der Spezialeinheiten oder des Geheimdienstes wissen und können muss. Irgendwann scheint es Anzeichen für eine geistige Unausgeglichenheit gegeben zu haben. Über genauere Details verfügen wir nicht. Wir haben uns so weit wie möglich darum bemüht, aber die französische Regierung hat sich in dieser Hinsicht recht zugeknöpft gegeben. Die ganze Geschichte hat wohl allen Beteiligten ziemliches Kopfzerbrechen bereitet. Was wir erfahren konnten, reicht aber aus, um in groben Zügen zu begreifen, was geschehen ist. Nach einer Reihe von, wie sie es ausdrückten, bedauerlichen Episoden wurde Legrand nahe gelegt, den aktiven Dienst ›freiwillig‹ zu quittieren und in Frührente zu gehen. Diese Tatsache scheint ihn schwer getroffen und seinem bereits labilen Geist den Rest gegeben zu haben. Er zog damals nach
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