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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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    Cassis, mit seiner Frau und der Gouvernante, die er seit seiner Kindheit immer bei sich gehabt hatte. Er kaufte sich das Gut La Patience, zog sich wie ein Eremit zurück und lebte dort praktisch ohne Kontakt zur Außenwelt. Diese Bedingungen erlegte er auch seinen Angehörigen auf. Kein Kontakt, aus keinem Grund.«
    Roncaille wandte sich an Doktor Cluny, um das Wort an ihn zu übergeben, und erkannte damit stillschweigend an, dass er am besten geeignet war, die Fortsetzung der Geschichte mit der so wichtigen psychologischen Komponente darzulegen.
    Der Psychopathologe nahm seine Brille ab und massierte sich die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger, wie er es zu tun pflegte.
    Frank hatte sich noch nicht darüber klar werden können, ob diese Geste ein bewusster Versuch war, die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zu ziehen, oder ob sie spontan entstand. Aber im Grunde war das auch nicht so wichtig. Cluny setzte sich die Brille wieder auf. Alle blickten ihn gespannt an. Vieles von dem, was er nun sagen würde, war auch für Durand und Roncaille neu.
    »Ich habe eine Reihe von Gesprächen mit Jean-Loup beziehungsweise Daniel Legrand geführt, denn das ist sein wirklicher Name. Es war nicht leicht, sich ein allgemeines Bild zu machen, denn nur zeitweise zeigt sich der Patient willens, aus den Krisen totaler Entfremdung aufzutauchen, in die er immer wieder abgleitet.
    Also, wie der Herr Polizeipräsident bereits andeutete, kam die Familie Legrand in dieses kleine Nest in der Provence. Frau Legrand war übrigens Italienerin, was wohl auch der Grund dafür ist, dass Daniel oder Jean-Loup, wie Sie wollen, diese Sprache so gut spricht. Ich würde sagen, wir nennen ihn weiterhin Jean-Loup, das mag das Verständnis ein wenig erleichtern.«
    Er blickte sich in Erwartung ihrer Zustimmung um. Das allgemeine Schweigen bedeutete ihm, dass es keine Einwände gab. Also fuhr Cluny mit der Darstellung der Fakten, oder zumindest dessen, was er hatte rekonstruieren können, fort.
    »Kurz nach ihrem Einzug kommt seine Frau nieder. Aufgrund der Menschenscheu ihres Ehemannes, die sich inzwischen zu einem regelrechten Wahn ausgewachsen hat, wird nicht einmal ein Arzt gerufen, um bei der Geburt zu helfen. Die Mutter bringt jedoch, das bitte ich zu beachten, nicht ein Kind zur Welt, sondern Zwillinge, Lucien und Daniel. Es gibt nur eine furchtbare Komplikation. Der kleine Lucien wird mit einer Missbildung geboren. Das Gesicht des Kindes ist ganz entstellt durch fleischerne Auswüchse, die ihn zu 594

    einem kleinen Monster machen. Ich kann Ihnen nicht genau erklären, um was es sich vom medizinischen Standpunkt aus handelt, weil ich mich nur auf das stützen kann, was Jean-Loup sagt, und der gibt sich in dieser Sache sehr verschlossen. In jedem Fall haben die DNA-Analysen der Leiche aus dem Bunker ohne Zweifel erwiesen, dass die beiden Brüder sind. Den Vater erschüttert dieses Drama bis ins Mark, und sein geistiger Zustand verschlechtert sich weiter, wenn überhaupt möglich. Er leugnet, als existiere er gar nicht, die Geburt seines missgebildeten Sohnes, bis zu dem Punkt, dass er nur die Geburt eines einzigen Kindes meldet, eben die von Daniel. Sein Bruder wird versteckt gehalten wie ein streng zu hütendes Geheimnis, wie eine Schande in den Augen der Welt. Die Mutter stirbt wenige Monate nach der Niederkunft. Auf dem Totenschein des zuständigen Arztes ist ganz allgemein von natürlichen Todesursachen die Rede. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln.«
    Durand unterbrach Cluny mit einer Handbewegung und schaltete sich in die Erläuterungen ein.
    »Wir haben der französischen Regierung die Exhumierung der Leiche von Madame Legrand vorgeschlagen, aber es scheint nicht so, als habe man nach all den Jahren und nach dem Verschwinden aller involvierten Personen ein großes Interesse an dieser Sache.«
    Durand lehnte sich im Sessel zurück mit dem Ausdruck des Tadels über eine solche Nachlässigkeit im Detail. Mit einer Geste überließ er Cluny wieder das Wort.
    Cluny griff es auf wie eine Pflicht, nicht wie ein Vergnügen.
    »Die beiden Kinder wachsen unter der harten und besessenen Hand des Vaters auf, der sich in toto um ihre Erziehung kümmert, ohne jegliche äußere Hilfe. Weder Kindergarten noch Schule noch Kontakt zu gleichaltrigen Kindern. Inzwischen hat sich Legrand zu einem regelrechten Paranoiker entwickelt. Vielleicht leidet er an Verfolgungswahn, ist besessen von der Idee des ›Feindes‹, den er überall und in allen

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