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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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Und es war ja meist jemand zu Hause, der ab und an aus dem Fenster nach uns sah.
    Mein Bruder aber war definitiv noch zu klein, um allein hinunterzugehen, außerdem war er ziemlich wild – selbst Restaurantbesuche waren mit ihm ein Problem, denn entweder büxte er aus, oder er versuchte, die Tischdecken von den Tischen zu ziehen. Darum musste er oft mit Yiayia zu Hause bleiben, wenn wir anderen essen gingen oder eingeladen waren. Dann stand er die ganze Zeit über am Fenster und heulte uns nach, bis Yiayia zu Mama sagte, dass sie das nicht mehrgutheißen könne. »Das schadet dem Kind«, fand sie, und Mama hörte darauf, sie nahm alles ernst, was Yiayia sagte. »Die Yiayia sieht zwar nicht gut, aber sie hat auch am Rücken Augen«, sagte Mama – so heißt es im Griechischen, wenn jemand alles mitbekommt.
    »Eines verstehe ich nicht«, sagte Mama eines Morgens zu ihrer Mutter. »Gestern erst habe ich vier Liter Milch gekauft – und heute ist kein Tropfen mehr übrig. Wie kann es sein, dass wir so viel Milch in so kurzer Zeit verbraucht haben?« Sie öffnete den Kühlschrank, um es zu demonstrieren – und sonderbarer Weise standen die Flaschen noch im Fach, allerdings leer. »Und wer stellt denn bitte leere Flaschen in den Kühlschrank?«
    Mama kaufte wieder Milchflaschen. Kurz darauf standen sie wieder leer im Kühlschrank. »Ich habe da so eine Ahnung …«, sagte Yiayia.
    Sie ertappte meinen Bruder schließlich auf frischer Tat: Er schlich sich mit den Milchflaschen ins Bad und goss den Inhalt ins Klo – einfach so, weil es so schön gluckerte. Als kurze Zeit später die Toilette verstopfte, war es wieder Yiayia, die den Grund dafür herausfand. Denn zeitgleich war eine kleine Sandale meines Bruders verschwunden. Und richtig, Papa konnte sie schließlich herausfischen.
    In Griechenland litt ich immer unter dem Essen, das mir nicht schmeckte, doch war ich auch zu Hause eine ausgesprochen schlechte Esserin – meine Appetitlosigkeit war Legende, die halbe Nachbarschaft beteiligte sich daran, mich zum Essen zu überreden: »Versuchen Sie es doch mal mit Apfelkuchen«, meinte die Mutter des Jungen, der bei uns im Haus wohnte: »Bei mir hat sie gestern ein halbes Stück davon gegessen.« Die alte Dame aus dem ersten Stock, Frau Griesmaier, die ich manchmal besuchte, schwor dagegen auf Knäckebrot mit Butter: »Das müssen Sie kaufen, davon hatsie letztes Mal bei mir eine ganze Scheibe gegessen.« Also buk Mama Apfelkuchen und kaufte Knäckebrot, aber ich kniff den Mund zu – so richtig gern mochte ich nur Äpfel und Salat.
    Mama wälzte Medizinratgeber und mixte Stärkungsmittel, die den Appetit anregen sollten: Cocktails aus rohen Eiern, Honig, frischem Orangensaft und Haferflocken. Wir mussten Rotbäckchensaft trinken und Lebertran. Bei meinem Bruder, der ohnehin gern aß, schlugen die Maßnahmen bestens an. Bei mir nicht. »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte unser Hausarzt, »sie holt sich schon, was sie braucht. Schlanke Kinder sind oft die gesündesten.« Doch Mama war wohl zu sehr Griechin, um meine dürren Beine noch normal finden zu können.
    Da entdeckte sie ein neues Mittel in der Apotheke, Multisanostol. Es schmeckte fruchtig und süß, tausend Mal besser als der eklige Lebertran. Und es schien zu wirken: Um mich aufzupäppeln, drückte Mama mir nun zwischen den Mahlzeiten regelmäßig Wurstbrote und Schinkensemmeln in die Hand. Wenn sie etwas später nach mir sah, waren die Brote verschwunden. Yiayia blieb allerdings skeptisch: »Die soll ein ganzes Salamibrot gegessen haben, so schnell – nie im Leben glaube ich das!«
    Sie spionierte hinter mir her und erwischte mich, als ich eine unberührte Schinkensemmel hinter der Kinderzimmer-Heizung versenkte – mein Geheimversteck war zu diesem Zeitpunkt schon zu einem Drittel mit trockenen Broten und faulen Bananen gefüllt. »Von wegen Multisanostol«, schnaubte Yiayia und versuchte, mich auf ihre Art zum Essen zu bringen.
    Wir buken Kekse, Fiongakia , Schleifchen, die nach dem Backen in Zuckersirup getränkt werden. Ich verputzte ein ganzes Blech davon. Und wir machten Popcorn, das war eineechte Kunst: »Sie brauchen Fett, um aufzugehen – aber nicht zu viel Fett, sonst kleben sie auf dem Pfannenboden und verbrennen«, lehrte mich Yiayia. Dazu träufelten Yiayia und ich Öl auf unsere Hände und rieben die Maiskörner durch unsere Finger in die Pfanne. Fast alle gingen auf und poppten munter gegen den Pfannendeckel. »Sie hat eine ganze Schüssel davon

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